Begegnungen auf Großbaustellen

Begegnungen auf Großbaustellen

Ein Recherchetagebuch
Text: Wilma Renfordt
Für das Theaterstück Gesellschaftsmodell Großbaustelle (Staat 2) von Rimini Protokoll, das 2017 im Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere hatte, führte die Dramaturgin Wilma
Renfordt ein Recherchetagebuch. Leitend bei den Vorbereitungen waren folgende Fragen: Was erzählen Großbaustellen über unsere Gesellschaft – ihre verborgenen Choreografien verschobener Fertigstellung und Kostenkorrekturen, die komplexen Verflechtungen wirtschaftlicher und politischer Akteure, die undurchsichtigen Verbindungslinien in alle Welt – über unsere Gesellschaft? Warum bauen Staaten und für wen? Was geht vor: Partizipation oder Masterplan? 

11. Februar 2016
Kein Gespräch über Großbaustellen, bei dem nicht der Berliner Flughafen erwähnt wird, dessen Eröffnung für 2011 geplant war und mittlerweile für 2018 angekündigt wird. Treffen mit Jochen Köhn, Architekt bei Gerkan, Marg und Partner (Gmp) in Berlin. Beim Neubau des Flughafens Berlin Brandenburg war er zuständig für das Vertragsmanagement. Was genau schief lief, kann auch dieses Gespräch nicht klären, zwei Zahlen geben allerdings eine erste Ahnung: Für Gmp als Generalunternehmer des Neubaus arbeiteten eine dreistellige Zahl von Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern, als das Büro 2012 aus dem Projekt ausschied.
Das Gespräch verdeutlicht grundsätzliche Probleme, die auch viele weitere Gesprächspartner benennen werden: Großbaustellen sind unfassbar komplexe Gefüge, deren Beteiligte sich die Verantwortlichen zu großen Teilen nicht frei aussuchen dürfen – zumindest nicht bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand. Das Vergaberecht bestimmt, dass der Zuschlag für Bauleistungen an den wirtschaftlichsten Anbieter gehen muss. In der Realität ist das oftmals der billigste, nicht der beste. Aufträge werden in immer kleineren Portionen vom Bauherren über den Generalunternehmer bis zum Sub-Sub-Subunternehmer weitergereicht, bis am Ende kaum noch überschaubar ist, wer überhaupt auf der Baustelle tätig ist. Und warum wird obendrein alles immer teurer, als es zu Beginn in der Zeitung stand? Jochen Köhn: »Hans Stimmann, der ehemalige Berliner Senatsbaudirektor, hat für das Bauwesen den Begriff der ›politischen Lyrik‹ geprägt. Damit meinte er: Neunzig Prozent der Projekte würden nicht realisiert, wenn die tatsächlichen Kosten von Anfang an ehrlich kommuniziert würden.«

27. April 2016
Nachfrage beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dort wurde 2013 die »Reformkommission Bau von Großprojekten« ins Leben gerufen, da man sich angesichts einer »Reihe aktueller Bauprojekte mit erheblichen Kosten- und Terminüberschreitungen« die Frage stellte, »ob oder inwieweit es strukturelle Defizite bei Planung und Realisierbarkeit von Großprojekten in Deutschland gibt.« Die Antwort lautet offenbar »Ja«, denn in ihrem Abschlussbericht fordert die Kommission von allen Beteiligten »einen grundlegenden Kulturwandel«, unter anderem: mehr Kooperation, Vergabe an den Wirtschaftlichsten, nicht den Billigsten, klare Zuständigkeiten und mehr Transparenz. Im Gespräch mit Iris Reimold und ihren Kollegen lernt das Rechercheteam außerdem eine neue Figur kennen: den Nachtragsdetektiv. Wie wir später von Rechtsanwalt Jürgen Mintgens erfahren werden, suchen mitunter ganze Abteilungen detektivisch nach Lücken in Leistungsverzeichnissen: Wo ist mehr zu tun als in der Ausschreibung angegeben? Was dauert länger? Denn in diesen Fällen können Auftragnehmer für ihre Bauleistungen mehr verlangen, als sie in ihrem ursprünglichen Angebot kalkuliert haben. Das Problem: Die Gewinnzone beginnt für Baufirmen oft erst mit diesen sogenannten Nachträgen.

22. Juni 2016
Der erste Baustellenbesuch, das Corpus Delicti aus unmittelbarer Nähe. Mit Carsten Machentanz und Ilias Abawi von der Emschergenossenschaft fahren wir auf einer Brache südlich der A42 in Oberhausen per Baustellenaufzug gut 30 Meter in die Tiefe einer riesigen Baugrube. Machentanz ist Projektleiter für einen zehn Kilometer langen Abschnitt des unterirdischen Abwasserkanals, der die Emscher nach 28 Jahren Bauzeit bis 2020 von Abwässern befreien und die Renaturierung des betonierten Flussbetts ermöglichen wird. Am Boden der Grube fräst eine Vortriebsmaschine zwei raumhohe Röhren ins Erdreich, eine Grubenbahn liefert die Betonteile zur Auskleidung der Röhren an – für uns leider unsichtbar, da die Maschine sich schon mehrere hundert Meter vorgearbeitet hat. Machentanz und sein Team verbrauchen hier in drei Jahren genug Stahl für eine Replik des Eiffelturms und eine Menge Beton, aus der man den Kölner Dom nachbauen könnte. Bislang läuft alles nach Plan. Eine Abwasserleitung ist kein Prestigeprojekt.

23. Juni 2016
Die Besichtigung der Baustelle rund um den Wuppertaler Hauptbahnhof scheitert für die Kollegin mit Schuhgröße 41 beinahe am Fehlen der passenden Sicherheitsschuhe. Frauengrößen sind auf Baustellen nach wie vor rar. Am Döppersberg, wie das Projekt zur Umgestaltung des Bahnhofsumfelds heißt, ist die Verantwortliche allerdings eine Frau: Architektin Irene Baumbusch ist für alle städtischen Hochbauvorhaben an diesem Standort zuständig. In der sengenden Mittagshitze besichtigen wir mit ihr, was von der neuen Eingangshalle des Bahnhofs, der Verkehrsführung und dem Parkhaus bereits zu sehen ist. Drumherum ein reges Treiben mit Baggern, Lastwagen und Kränen, ein Geschehen, das Ferdinand Tönnis, Bereichsleiter bei Zechbau, in einem späteren Gespräch als »kleine Fabrik« bezeichnen wird, die bei seinen Projekten meist 100 bis 200 Mitarbeiter beschäftige und einen monatlichen Umsatz von drei bis vier Millionen Euro generiere. »Als Generalunternehmer handeln wir mit Bauleistungen«, sagt Tönnis: »Es geht um Ankauf und Verkauf.«

Sommer 2016
Sehr gern hätten wir, zumindest per Video, auch Einblicke in das Geschehen auf der Berliner Schlossbaustelle oder vom Stadionbau für die Fußball-WM 2020 in Katar erhalten und an das Publikum weitergegeben. Doch hier war nichts zu machen. In unserer Projektbeschreibung sei von »Kostenüberschreitung und Zeitverzug« die Rede, schreiben uns die Pressesprecher. Damit hätten ihre Baustellen nichts zu tun.
 
2. Mai 2016
Bereits während der ersten Recherchereise nach Düsseldorf sind wir mit einem Handwerker verabredet. Der Elektriker arbeitet seit 30 Jahren auf dem Bau und ist mittlerweile als Subunternehmer selbstständig. Doch zum vereinbarten Termin erscheint er nicht und ist auch telefonisch nicht mehr zu erreichen. Beim nächsten Aufenthalt in Düsseldorf telefonieren wir mit einem ehemaligen Polier, der am Telefon in Aussicht stellt, Details zu zahlreichen halblegalen bis kriminellen Geschäftspraktiken berichten zu können. Bei einer Nachfrage zu seiner Identität legt er auf. Ein Fachbauleiter im Ruhestand hingegen erzählt um so plastischer aus seinem Berufsleben. Zum Abschied drückt er uns eine handgezeichnete Bildergeschichte in die Hand, in der die Inhaber eines kleinen Geschäfts hinterhältig dazu gebracht werden, ihr Grundstück zu einem Dumpingpreis an einen Investor zu verkaufen.

21. Juni 2016
Worum geht es bei Bauprojekten? Für wen wird gebaut? Und aus welcher Motivation? Für Gregor Bonin, von 2006 bis 2015 Planungs- und Baudezernent der Stadt Düsseldorf, sind die unterschiedlichen, bisweilen konträren Interessen von öffentlicher Hand, Investoren und Bürgern tägliches Brot. Wir treffen Bonin im Rathaus Rheydt in Mönchengladbach, wo er kurz zuvor dasselbe Amt übernommen hat. An den Türen künden Aufkleber mit dem Logo »mg+ Wachsende Stadt« bereits vom Elan des neuen Amtsinhabers: »Baudezernenten sind Triebtäter!« Er handele aus Leidenschaft für die Stadt, sagt der studierte Architekt, und will ihr vor allem wirtschaftliche Vorteile bringen: »Stadtplanung ist ein Produkt, das beworben werden muss. Wir müssen alles so aufstellen, dass wir am Markt überleben, Gewinne generieren und Arbeitsplätze schaffen.« Dafür braucht es die Investoren, laut Bonin ein »sensibles Gut«, das mit Vertrauen und einem guten zwischenmenschlichen Verhältnis gepflegt werden will: »Sie folgen Vorlieben und Emotionen, sie wollen ein schönes Projekt machen und sich verwirklichen.« Auf Immobilienmessen wie der Exporeal in München oder der MIPIM in Cannes »bieten Städte wie Mönchengladbach deshalb Flächen auf bunten Bildern an, auf denen man«, so Bonin, »sein Geld gut investieren kann.« Für Mönchengladbach, das sich uns auf dem Weg vom Bahnhof zum Rathaus eher verhalten präsentiert hat, schwebt Bonin bereits ein neues Bild vor. Hinter dem Hauptbahnhof soll ein künstlicher See angelegt werden, drumherum Wohn- und Geschäftsgebäude. Das Sujet: »Stadt am Wasser«.

24. Juni 2016
Ein Projekt, das Gregor Bonin in Düsseldorf mit großer Leidenschaft verfolgt hat, ist der Kö-Bogen: Architektur von Daniel Libeskind, 1A-Innenstadtlage auf einer ehemaligen Straßenbahnkehre am Ende der Kö, nun exklusiver Büro- und Einzelhandelsstandort. In einem niegelnagelneuen Büroriegel an einer Düsseldorfer Ausfallstraße treffen wir Stefan Mühling, Gründer und Geschäftsführer von »die developer« und damit Entwickler des Kö-Bogens. Nach 20 Jahren als Projektentwickler beim Strabag-Konzern ergriff Mühling 2007 die Gelegenheit, sich mit der Kapitaleinlage seines Geschäftspartners Kurt Zech selbstständig zu machen. Die Finanzkrise war für die junge Firma Glück im Unglück: 2008 wurde das Grundstück für den Kö-Bogen zur Bebauung ausgeschrieben, von 17 Interessenten gaben aufgrund der schwierigen Lage am Kapitalmarkt nur zwei ein Angebot ab. Das Gebäude konnte 2013 fristgerecht fertiggestellt werden, heute gehört es zwei berufsständischen Versorgungswerken: »Wir bauen am Ende für den institutionellen Markt, also deutsche Fonds«, sagt Mühling. »Sicherheit in Kombination mit einem langfristig stabilen Cashflow wird dort hoch bewertet, was in den letzten Jahren zu stark gestiegenen Immobilienpreisen geführt hat.« Auch die Family Offices der Superreichen wollen gerade investieren: »Ein Haus aus Steinen löst sich nicht in Luft auf, eine Aktie vielleicht schon.« Und das ist einer der Gründe, weshalb derzeit so viel gebaut wird.

22. Juni 2016
Ums große Geld geht es auch bei unserem Besuch am Landgericht Düsseldorf. Verhandelt wird die Korruptionsaffäre um den landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB). Im Zentrum der Vorwürfe steht der ehemalige BLB-Geschäftsführer Ferdinand Tiggemann, der Informationen über geplante Bauvorhaben des Landes an einen kriminellen Immobilienmakler weitergegeben haben soll, um Kaufpreise durch illegale Absprachen zum Vorteil des Maklers in die Höhe zu treiben.

19. Januar 2017
Nachgehakt beim Landtagsabgeordneten Stefan Engstfeld, Vorsitzender der Grünen Fraktion im BLB-Untersuchungsausschusses: Wie konnte das passieren? Mit der Konstruktion des BLB wurde, so Engstfeld, seinerzeit Neuland betreten, weswegen es notwendig war und weiterhin ist, die strukturelle Ausgestaltung immer wieder auf Optimierungsbedarf zu überprüfen, um so ein Höchstmaß an Transparenz und notwendiger Kontrolle zu gewährleisten. Mit ausreichender krimineller Energie kann allerdings nahezu jedes System unterlaufen werden. So sind beim Bau des Düsseldorfer Landgerichts, in dem Tigge­mann schließlich nach seiner Verurteilung im Februar 2017 verhaftet wird, Schmiergelder geflossen. Geschichten, wie sie sich das Theater nicht besser ausdenken könnte. Allerdings sind dem Land NRW durch dieses Theater in der Realität viele Millionen Euro Schaden entstanden.

17. August 2016
Die erste Skizze für die Wunsch-Besetzung steht. Unter den offenen Positionen: jemand, der an Großprojekten persönlichen Schaden erlitten hat. Alfredo di Mauro ist unter keiner der im Netz auffindbaren Nummern zu erreichen. Tweet an seinen Account: »@dimauroalf Ich recherchiere für ein Theaterstück zu Großbaustellen u. wäre sehr neugierig auf Ihre Perspektive zum BER. Nähe­res gern per dm!« Di Mauro meldet sich umgehend zurück. Sein Offenbacher Büro macht seit dem Flughafen-Debakel »Verschnaufpause«, daher sind auch alle Leitungen tot. Gern aber möchte di Mauro in der Öffentlichkeit klarstellen, was aus seiner Sicht zu der Misere am BER geführt hat ...

22. September 2016
Ebenfalls auf der Wunschliste: ein Ameisenforscher. Denn wenn wir im Lauf der Recherche eines bereits verstanden haben, dann dass Menschen immer wieder an der Komplexität von Großprojekten scheitern und es offenbar gern versäumen, ihre Partikularinteressen im Rahmen des gemeinsamen Vorhabens zurückstellen. Wären Ameisen also womöglich die besseren Baumeister? Der Geologe Ulrich Schreiber von der Universität Duisburg-Essen ist neugierig auf unsere These, wir besuchen ihm am Institut für Biologie. Leider, so muss Schreiber uns enttäuschen, können wir von den Ameisen nicht viel lernen. Denn ihr Erfolg beruht auf einem genetischen Programm: Durch Fütterung nach der Geburt werden bestimmte Gene aktiviert, die einzelne Ameisen für ihre Bau-Arbeit spezialisiert. Der Ingenieur hinter den komplexen Riesen-Nestern ist die Evolution. Dabei funktioniert die einzelne Ameise wie eine Körperzelle: »Der Staat ist der Körper, die einzelne Ameise ist nichts«, sagt Schreiber. Faule Arbeiterinnen werden aussortiert. Demokratie? »Können die nicht.« Wir denken zurück an einen Termin bei der IG BAU im Juni.

23. Juni 2016
Reinhard Steffen empfängt uns im DGB-Gebäude unweit des Düsseldorfer Hauptbahnhofs. Der Gewerkschaftssekretär ist der erste Gesprächspartner, der aus erster Hand von den skandalösen Arbeitsbedingungen auf einigen Großbaustellen zu berichten weiß, die uns bislang nur gerüchteweise oder aus der Presse bekannt sind. Einer seiner tragischsten Fälle: Im März 2010 baten sieben rumänische Bauarbeiter die Gewerkschaft um Hilfe, weil sie seit drei Monaten auf der Baustelle eines Kölner Seniorenwohnheims arbeiteten, aber noch keinen Cent Lohn gesehen hatten. Der Generalunternehmer, Tochter einer großen deutschen Unternehmensgruppe, hatte eine Malerfirma aus dem Sauerland mit den Trockenbauarbeiten beauftragt, die wiederum eine rumänisch geführte Firma mit Sitz in Düsseldorf beauftragt hatte, die sieben Rumänen anzuwerben – sich aber beharrlich weigerte, die Arbeiter zu bezahlen. Die IG BAU informierte den Zoll, der die Baustelle am darauffolgenden Tag kon­trollierte. Nach der Kontrolle berichteten die Arbeiter, dass der rumänische Mittelsmann aus dem achten Stock des Hauses gesprungen sei, in dem sie gemeinsam auf knapp 50 Quadratmetern wohnten. Den Sturz überlebte er nicht. Die Arbeiter hatten keine gültigen Arbeitsgenehmigungen, nur Meldebescheinigungen und Gewerbeanmeldungen, waren also als selbstständige Unternehmer gemeldet – ohne sich dessen bewusst zu sein. Nach Mindestlohntarif Bau und den schriftlich angegebenen Stunden wurden Lohnforderungen in Höhe von mehreren tausend Euro pro Kopf ermittelt. Reinhard Steffen konnte schließlich einen Vergleich aushandeln, so dass die Arbeiter zumindest einen Teil des vereinbarten Lohns erhielten und nach Rumänien zurückkehren konnten.

5. Juli 2016
Telefonat mit Catalina Guia. Sie ist Beraterin im Projekt »Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten« des DGB, und damit erste Ansprechpartnerin für Arbeitnehmer aus Osteuropa, die in Deutschland mit unfairen bis hin zu kriminellen Arbeitsbedingungen zu kämpfen haben. Auf unsere Bitte ist Guia sofort bereit, nach einem Arbeitnehmer zu suchen, der an unserem Projekt als Darsteller teilnehmen könnte. So kommen wir schließlich mit Marius Ciprian Popescu in Kontakt – der erste Interviewpartner, der mit Fug und Recht behaupten kann, ein ganzes Haus von Anfang bis Ende gebaut zu haben.

21. Juni 2016
Bei Großbaustellen ist dieser Blick aufs Ganze unmöglich. Allerdings hat man uns bei der Reformkommission des Bundesministeriums ein Zauberwort verraten, das dies ändern soll: BIM. In Essen treffen wir Dirk Schaper, Geschäftsführer der Hochtief Vicon GmbH, und leidenschaftlicher Verfechter dieses BIM, des Building Information Modeling, das er mit seiner Firma anbietet. »BIM ist eine Philosophie, ein soziokulturelles Unterfangen«, sagt Schaper. Oder, prosaisch: eine Planungsmethode, nach der alle Daten eines geplanten Bauwerks digital erfasst, in 3D-Modellen visualisiert und unter den Projektbeteiligten ausgetauscht werden können. Das heißt: Wenn der Architekt eine neue Tür plant, erfährt der Haustechniker automatisch, dass hier kein Heizkörper mehr stehen kann. Klingt sehr praktisch und ist genau das, was die Reformkommission sich als Vorgehen für die Zukunft wünscht. Aber, die Bauwirtschaft ist, so Schaper, »änderungsresistent.«

3. Mai 2016
Wer im Ausland baut, hat hingegen keine Wahl und muss sich auf veränderte Bedingungen einstellen. Der Architekt, den wir heute treffen, hat damit langjährige Erfahrung. Wir treffen ihn im Konferenzzimmer mit weitem Blick über die Stadt. »Das Ausland ist einfach ein größerer Markt«, sagt er. »Deutsche Planungsleistungen genießen außerdem weltweit gutes Ansehen und sind vergleichsweise günstig.« Sein Büro wird von Investoren gerne eingekauft. Bei der Umsetzung gibt es allerdings immer wieder länderspezifische Probleme zu bekämpfen. Zur Zeit ist er Projektleiter in Singapur, es entsteht ein Wohn- und Bürokomplex, der insgesamt eine Milliarde Euro kosten wird. Zwar sind die bürokratischen Hürden geringer als in Deutschland und der Bau schreitet schnell voran – dafür müssen sich die Planer aber immer wieder mit einer Ausführungsqualität arrangieren, die nicht den ursprünglichen Erwartungen entspricht. Das führt dann mitunter, so unser Gesprächspartner, zu einem »basarhaften Ändern der Planung.« In Australien etwa, wo er ein Hochhaus gebaut hat, ist der Markt für Baufertigteile viel kleiner als in Europa, sodass oft keine Industrieprodukte zur Verfügung stehen – man behalf sich mit der »Hinterhofschlosserei.« In Japan wiederum sah er sich mit extrem hohen Qualitätsansprüchen und einer Detailversessenheit konfrontiert, die ihm in Deutschland noch nicht begegnet war. Trotz aller Unwägbarkeiten: Am Ende prangt auf allen Gebäuden das Siegel seines Büros, und so reist der Projektleiter regelmäßig zu den ausführenden Architekten und Bauunternehmen vor Ort, um den Baufortschritt mit der Planung abzugleichen. Für eine Beteiligung als Darsteller bei unserem Projekt hat er leider keine Zeit. Das Baugeschäft ist zeitintensiv und nimmt wenig Rücksicht.

21. November 2016
Die Hälfte der Besetzung steht: Der Stadtplaner Dieter Läpple, Alfredo di Mauro, Jürgen Mintgens und Marius Ciprian Popescu sind dabei. In den Folgemonaten stoßen Sonja-Verena Breidenbach, Produktspezialistin für institutionelles Immobilien Asset-Management, die Choreografin Fang-Yun Lo, der Insektenexperte Reiner Pospischil und Andreas Riegel hinzu, der sich bei Transparency International engagiert.

14. März 2017
Die Proben haben vor einer Woche begonnen, wir machen einen Abstecher zu Europas größter Immobilienmesse MIPIM in Cannes, wo Städte um Investorenmillionen für ihre Infrastrukturprojekte buhlen. Wir scheuen den Eintrittspreis von fast 3000 Euro und bewerben uns für eine Akkreditierung als Journalisten. Wir versichern der Pressestelle, dass unsere Form des dokumentarischen Theaters genauso objektiv zu sein versucht wie andere Medien. Vergeblich. Wir lassen es uns aber nicht nehmen, vor Ort ein paar Videoaufnahmen der eleganten Manager am Haupteingang zu machen. Und wie durch ein Wunder gelangen wir gratis über den Strand und das Messecafé vorbei an den funkelnden Stadtmodellen von Dubai, 3D-Simulationen von Moskauer Logistikhubs und den Cocktailbars englischer Städte zu einem kleinen weißen Tresen mit ein paar eher unauffälligen Bildern über denen steht: Düsseldorf.

Fotos: Anna-Lena Wenzel
Kurzbeiträge

Einwürfe

Spaces of Solidarity Der Kiosk of Solidarity macht Station in einer Ausstellung im Deutschen Architektur Zentrum
Parasite Parking Logbuch einer öffentlichen Intervention von Alexander Sacharow und Jakob Wirth

Fundsachen

The Black Triangle 360 schwarze Dreiecke in Wien dokumentiert von Peter Schreiner
found footage-sculptures Patrick Borchers unterwegs in Neapels Straßen

Straßenszenen

Asphaltrisse Risse in Berliner Straßen fotografiert von Heide Pawlzik.
Neun falsche Hennen Die Welcomecitygroup feiert Junggesellinenabschied auf der Reeperbahn in Hamburg
Städtische Arrangemens in Comănești

Die Fotos und der Text stammen au

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man im Olympiapark 1953 begonnen Timofej Wassiljewitsch Pro
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