(e) es sich im Vertragsarbeiterheim in der Gehrenseestraße
(e) es sich im Vertragsarbeiterheim in der Gehrenseestraße
Text: Jan Dubský und Herkusho mit Anna-Lena Wenzel, Fotos: Vlad Brăteanu, Anna-Lena Wenzel, Jakob Wirth
Im Februar 2023 lud ein Kollektiv[1] eine Hand voll Künstler*innen in einen leerstehenden Gebäudekomplex in Berlin-Hohenschönhausen, um dort Interventionen zu entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt waren die Gebäude, die in den 1980er Jahren in der DDR als Vertragsarbeiterheim gebaut worden waren, bereits entkernt. Die eingeladenen Künstler*innen reagierten mit Skulpturen, Foto- und Filmarbeiten und ortsspezifischen Installationen auf die gehaltvolle Geschichte der auch nach der Wende als Wohnheim genutzten Gebäude. Jan Dubský und Herkusho recherchierten zur Geschichte der Häuser und teilten diese mit den Besucher*innen.
Zeittafel der Häuser in der Gehrenseestraße[1]
1977-1980: Errichtung des Wohnheimkomplexes mit neun Wohnblocks, verwaltet wurden die Heime im Auftrag des Magistrats von Berlin durch die Arbeiterwohnheimverwaltung (ARHV).
1978-1988: Nutzung als Wohnheim für Bauarbeiter der DDR während ihres Einsatzes in Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen
Ab 1982: Nutzung als Wohnheim für Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam, Mosambik, Angola, Kuba und für Bürger*innen anderer Länder
1990-2000: Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, Spätaussiedler und Asylbewerber*innen aus Vietnam, dem mittleren Osten und Afrika werden hier untergebracht, Bürgerinitiativen organisieren Aktionen und Schutzwachen gegen rassistische Demonstrationen vor den Heimen. Die ARWOGE übernimmt die Verwaltung.
Bis 2003: Die Mietverträge der Bewohner*innen werden gekündigt, ihnen werden z.T. Ersatzwohnungen angeboten.
Seit 2003: Leerstand der Heime, die ARWOGE verkauft die Gebäude an verschiedene private lnvestoren, die die Gebäude verfallen lassen.
2020: Die Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE verkündet, dass sie zusammen mit dem Projektpartner Belle Époque auf dem Gelände ein Hof- und Hochhausquartier errichten will.
2024: Das Gelände liegt noch immer brach.
Das Leben im Heim in der Gehrenseestraße
Von 1978-1982 waren Bauarbeiter in den Heimen in der Gehrenseestraße untergebracht, die die Wohnblöcke in Hohenschönhausen, Marzahn und Lichtenberg aufbauten. Nach Fertigstellung der Wohnhäuser erhielt ein Teil der Bauarbeiter eine eigene Mietwohnung in den neuen Wohnblocks. Dadurch sank ab 1982 die Zahl der Arbeiter in den Heimen. Der weitläufige Wohnkomplex erforderte daher eine neue Nutzung. Zunächst wurden ausländische Studierende und junge Menschen untergebracht, die in der DDR auf Grund von Regierungsvereinbarungen mit jungen Nationalstaaten eine Ausbildung als Facharbeiter erhielten. [3] Ab 1987 wurden außerdem ausländische Arbeitskräfte, sogenannte Vertragsarbeiter*innen in den Wohnheimen der Gehrenseesiedlung untergebracht.[4]
In den Heimen herrschte ein strenges Reglement, das erst nach 1990 erheblich lockerer gehandhabt wurde. Während der DDR-Jahre galten etwa folgende Regeln für die Bewohner*innen: Männer und Frauen wurden getrennt untergebracht, wenn möglich sogar in verschiedenen Etagen oder Gebäuden. Dabei ging es nicht nach persönlichen Wünschen, selbst Ehepaare hatten keinen Anspruch auf ein gemeinsames Zimmer. Die Zimmer waren zweckmäßig möbliert. Jeder Vertragsarbeiter*in bekam ein Bett, einen Nachttisch, einen Stuhl, einen Schrank, einen Satz Geschirr, Besteck, Handtücher und Bettwäsche. Im Zimmer gab es zudem einen Tisch, der gemeinsam genutzt werden musste. Toiletten, Dusche und Küche waren in der Regel für eine Wohnung oder eine Etage gemeinsam zu nutzen. Die Vertragsarbeiter*innen lebten jahrelang ununterbrochen ohne Privatsphäre. Zudem mussten sie zumindest im Zwei- oder Dreischichtsystem arbeiten, ohne dass bei der Zimmerbelegung darauf Rücksicht genommen worden wäre. So standen einige um vier auf, während andere erst um 23 Uhr von der Arbeit zurückkamen. Raum für Unterhaltungen, Feiern und Beisammensein war anfangs nicht vorgesehen. Die Heime wurden bewacht, man kam nur mit einem Heimausweis hinein oder als Gast unter Vorlage eines Personalausweises. Regelmäßige Kontrollen der Stuben durch Gruppenleiter und von Mitarbeitern der Abteilung Inneres der Bezirke gehörten zum Alltag der Bewohner*innen. Junge vietnamesische Frauen, die schwanger wurden, mussten entweder abtreiben oder zurück in ihre Heimatländer. Erst ab 1988 durften auch schwangere Frauen in Deutschland entbinden und weiter im Betrieb arbeiten. Kontakt zur DDR-Bürger*innen war nicht erwünscht, gesellschaftliche Integration war nicht vorgesehen. Die Abgeschlossenheit der Wohnheime mit Einlasskontrollen erschwerten die Kontakte nach außen. Bei Besuchen in Gaststätten oder Diskotheken gab es häufig Auseinandersetzungen mit Deutschen wegen rassistischer oder ausländerfeindlicher Bemerkung, manche Lokale verwehrten Vertragsarbeiter*innen auch den Zutritt.
Was passierte nach ‘89?
Nach der "Wende" 1989 war die Situation der Vertragsarbeiter*innen zunächst unklar. Es herrschte große Verunsicherung unter den Menschen, die als Vertragsarbeiter*innen in die DDR gekommen waren, da der Status und die rechtliche Situation bzw. die Frage nach dem Aufenthaltsstatus unklar war. Nachdem die Mauer gefallen war, wurden die meisten Verträge ungültig, da es sich bei den Arbeitsverträgen um Staatsverträge handelte und die DDR nicht mehr bestand. Das führte dazu, dass die Menschen von heute auf morgen arbeitslos wurden. Sämtliche Absicherungsfragen, Lohnfortzahlungen und Rentenansprüche waren ungeklärt. Informationen über den Mauerfall wurden nicht weitergegeben und die Menschen waren mehr oder weniger sich selbst überlassen.
Hinzukam, dass die neue Situation viele ehemalige Vertragsarbeiter*innen nach Berlin brachte, die zuvor für Betriebe in Polen und Tschechien gearbeitet hatten. Das führte zu einer zeitweiligen Überbelegung der Heime in der Gehrenseestraße. Bis zu zehn Personen teilten sich damals ein Zimmer. Über eine bestimmte Zeit verlor die Heimleitung den Überblick über die Personen, die in den Häusern lebten, die teilweise illegal nach Berlin gekommen waren.
Viele der ehemaligen Vertragsarbeiter*innen erhielten nach ihrer Entlassung eine Abfindung in Höhe von 3000 DM, um das Land damit zu verlassen. Durch die Währungsunion fehlte ihnen die Möglichkeit, ihr Geld umzutauschen, da es ihnen in der DDR nicht erlaubt war, ein Konto zu eröffnen. Infolge dieser existenziell vielfach bedrohlichen Situation kam es zur Gründung von Vereinen wie dem Reistrommel e.V., der sich ab den 1990er Jahren ebenfalls in der Gehrenseestraße befand und den verblieben Arbeiter*innen in sozialen und rechtlichen Fragen half. Da das Aufenthaltsrecht der ehemaligen Vertragsarbeiter erst stückweise geregelt wurde und an das Bleiberecht viele Bedingungen geknüpft waren, wie zum Beispiel ein regelmäßiges Einkommen, entstanden in Folge viele migrantische Ökonomien wie Restaurants, Schneidereien, Blumengeschäfte usw. Viele der in Deutschland gebliebenen ehemaligen Vertragsarbeiter*innen machten sich selbstständig, da sie oft keine Anstellung mehr in deutschen Betrieben fanden. Unter ihnen waren besonders viele Vietnames*innen, denn sie bildeten die größte Gruppe, der in Deutschland gebliebenen ehemaligen Vertragsarbeiter*innen.
Bereits zu DDR-Zeiten waren die Vertragsarbeiter*innen regelmäßig rassistischen Angriffen ausgesetzt. Nach der Wende kam es neben Übergriffen seitens der zivilen Bevölkerung, auch zu Gewaltvorfällen von der Polizei.
Kontinuität der Nutzung als Heim
Die Gebäude in der Gehrenseestraße wurden auch nach deren Nutzung als Vertragsarbeiter*innenheim weiter als Heim genutzt. Nach 1989 wurden sie zur Asylbewerberheim für zahlreiche Geflüchtete aus verschiedenen Ländern. Zwischen 1991 und 2000 wurden hier Asylbewerber aus Vietnam, dem mittleren Osten (lrak, Iran, Afghanistan, Syrien) und anderen Ländern zeitweise untergebracht. Als 1993 kriegerische Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien ausbrachen, wurden verstärkt Asylbewerber aus Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien in der Gehrenseestraße untergebracht. In den Jahren 1999/2000 kamen auf Grund der Unruhen im Kosovo vermehrt Kosovo-Albaner nach Hohenschönhausen. Ihre Aufenthaltsdauer war begrenzt und nach Beendigung der kriegerischen Handlungen im Heimatland verließen sie Deutschland wieder. Die erleichterten Einreisebestimmungen für deutsche Bürger, die in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wohnten, führten zur verstärkten Einwanderung von sogenannten Spätaussiedlern zwischen 1991 und 1998. Durch eine humanitäre Hilfsaktion, die 1991 von der Innenministerkonferenz in der BRD beschlossen wurde, kamen jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion als sogenannte Kontingentflüchtlinge nach Deutschland. Sie wurden teilweise auch in der Gehrenseestraße untergebracht.
[1] Indra Küster, Thomas Mayer, Levon Partzsch, Jakob Wirth & Operation Himmelblick
[2] Auszug aus: Rolf Meyerhofer: Hohenschönhausen. Gestern und Heute. Obdach auf Zeit. Zur Geschichte der Ausländerwohnheime in der Gehrenseestraße in Berlin-Hohenschönhausen, S.12.
[3] Vgl. ebd., S. 100.
[4] Vgl. ebd., S.12.
P.S. Die Künstlerin Sung Tieu hat von 1994 bis 1997 mit ihrer Mutter in der Gehrenseestraße gelebt und bietet in unregelmäßigen Abständen sehr informative Führungen über das Gelände an.
Zeittafel der Häuser in der Gehrenseestraße[1]
1977-1980: Errichtung des Wohnheimkomplexes mit neun Wohnblocks, verwaltet wurden die Heime im Auftrag des Magistrats von Berlin durch die Arbeiterwohnheimverwaltung (ARHV).
1978-1988: Nutzung als Wohnheim für Bauarbeiter der DDR während ihres Einsatzes in Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen
Ab 1982: Nutzung als Wohnheim für Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam, Mosambik, Angola, Kuba und für Bürger*innen anderer Länder
1990-2000: Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, Spätaussiedler und Asylbewerber*innen aus Vietnam, dem mittleren Osten und Afrika werden hier untergebracht, Bürgerinitiativen organisieren Aktionen und Schutzwachen gegen rassistische Demonstrationen vor den Heimen. Die ARWOGE übernimmt die Verwaltung.
Bis 2003: Die Mietverträge der Bewohner*innen werden gekündigt, ihnen werden z.T. Ersatzwohnungen angeboten.
Seit 2003: Leerstand der Heime, die ARWOGE verkauft die Gebäude an verschiedene private lnvestoren, die die Gebäude verfallen lassen.
2020: Die Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE verkündet, dass sie zusammen mit dem Projektpartner Belle Époque auf dem Gelände ein Hof- und Hochhausquartier errichten will.
2024: Das Gelände liegt noch immer brach.
Das Leben im Heim in der Gehrenseestraße
Von 1978-1982 waren Bauarbeiter in den Heimen in der Gehrenseestraße untergebracht, die die Wohnblöcke in Hohenschönhausen, Marzahn und Lichtenberg aufbauten. Nach Fertigstellung der Wohnhäuser erhielt ein Teil der Bauarbeiter eine eigene Mietwohnung in den neuen Wohnblocks. Dadurch sank ab 1982 die Zahl der Arbeiter in den Heimen. Der weitläufige Wohnkomplex erforderte daher eine neue Nutzung. Zunächst wurden ausländische Studierende und junge Menschen untergebracht, die in der DDR auf Grund von Regierungsvereinbarungen mit jungen Nationalstaaten eine Ausbildung als Facharbeiter erhielten. [3] Ab 1987 wurden außerdem ausländische Arbeitskräfte, sogenannte Vertragsarbeiter*innen in den Wohnheimen der Gehrenseesiedlung untergebracht.[4]
In den Heimen herrschte ein strenges Reglement, das erst nach 1990 erheblich lockerer gehandhabt wurde. Während der DDR-Jahre galten etwa folgende Regeln für die Bewohner*innen: Männer und Frauen wurden getrennt untergebracht, wenn möglich sogar in verschiedenen Etagen oder Gebäuden. Dabei ging es nicht nach persönlichen Wünschen, selbst Ehepaare hatten keinen Anspruch auf ein gemeinsames Zimmer. Die Zimmer waren zweckmäßig möbliert. Jeder Vertragsarbeiter*in bekam ein Bett, einen Nachttisch, einen Stuhl, einen Schrank, einen Satz Geschirr, Besteck, Handtücher und Bettwäsche. Im Zimmer gab es zudem einen Tisch, der gemeinsam genutzt werden musste. Toiletten, Dusche und Küche waren in der Regel für eine Wohnung oder eine Etage gemeinsam zu nutzen. Die Vertragsarbeiter*innen lebten jahrelang ununterbrochen ohne Privatsphäre. Zudem mussten sie zumindest im Zwei- oder Dreischichtsystem arbeiten, ohne dass bei der Zimmerbelegung darauf Rücksicht genommen worden wäre. So standen einige um vier auf, während andere erst um 23 Uhr von der Arbeit zurückkamen. Raum für Unterhaltungen, Feiern und Beisammensein war anfangs nicht vorgesehen. Die Heime wurden bewacht, man kam nur mit einem Heimausweis hinein oder als Gast unter Vorlage eines Personalausweises. Regelmäßige Kontrollen der Stuben durch Gruppenleiter und von Mitarbeitern der Abteilung Inneres der Bezirke gehörten zum Alltag der Bewohner*innen. Junge vietnamesische Frauen, die schwanger wurden, mussten entweder abtreiben oder zurück in ihre Heimatländer. Erst ab 1988 durften auch schwangere Frauen in Deutschland entbinden und weiter im Betrieb arbeiten. Kontakt zur DDR-Bürger*innen war nicht erwünscht, gesellschaftliche Integration war nicht vorgesehen. Die Abgeschlossenheit der Wohnheime mit Einlasskontrollen erschwerten die Kontakte nach außen. Bei Besuchen in Gaststätten oder Diskotheken gab es häufig Auseinandersetzungen mit Deutschen wegen rassistischer oder ausländerfeindlicher Bemerkung, manche Lokale verwehrten Vertragsarbeiter*innen auch den Zutritt.
Grundriss, Illustration von Jan Dubský
Was passierte nach ‘89?
Nach der "Wende" 1989 war die Situation der Vertragsarbeiter*innen zunächst unklar. Es herrschte große Verunsicherung unter den Menschen, die als Vertragsarbeiter*innen in die DDR gekommen waren, da der Status und die rechtliche Situation bzw. die Frage nach dem Aufenthaltsstatus unklar war. Nachdem die Mauer gefallen war, wurden die meisten Verträge ungültig, da es sich bei den Arbeitsverträgen um Staatsverträge handelte und die DDR nicht mehr bestand. Das führte dazu, dass die Menschen von heute auf morgen arbeitslos wurden. Sämtliche Absicherungsfragen, Lohnfortzahlungen und Rentenansprüche waren ungeklärt. Informationen über den Mauerfall wurden nicht weitergegeben und die Menschen waren mehr oder weniger sich selbst überlassen.
Hinzukam, dass die neue Situation viele ehemalige Vertragsarbeiter*innen nach Berlin brachte, die zuvor für Betriebe in Polen und Tschechien gearbeitet hatten. Das führte zu einer zeitweiligen Überbelegung der Heime in der Gehrenseestraße. Bis zu zehn Personen teilten sich damals ein Zimmer. Über eine bestimmte Zeit verlor die Heimleitung den Überblick über die Personen, die in den Häusern lebten, die teilweise illegal nach Berlin gekommen waren.
Viele der ehemaligen Vertragsarbeiter*innen erhielten nach ihrer Entlassung eine Abfindung in Höhe von 3000 DM, um das Land damit zu verlassen. Durch die Währungsunion fehlte ihnen die Möglichkeit, ihr Geld umzutauschen, da es ihnen in der DDR nicht erlaubt war, ein Konto zu eröffnen. Infolge dieser existenziell vielfach bedrohlichen Situation kam es zur Gründung von Vereinen wie dem Reistrommel e.V., der sich ab den 1990er Jahren ebenfalls in der Gehrenseestraße befand und den verblieben Arbeiter*innen in sozialen und rechtlichen Fragen half. Da das Aufenthaltsrecht der ehemaligen Vertragsarbeiter erst stückweise geregelt wurde und an das Bleiberecht viele Bedingungen geknüpft waren, wie zum Beispiel ein regelmäßiges Einkommen, entstanden in Folge viele migrantische Ökonomien wie Restaurants, Schneidereien, Blumengeschäfte usw. Viele der in Deutschland gebliebenen ehemaligen Vertragsarbeiter*innen machten sich selbstständig, da sie oft keine Anstellung mehr in deutschen Betrieben fanden. Unter ihnen waren besonders viele Vietnames*innen, denn sie bildeten die größte Gruppe, der in Deutschland gebliebenen ehemaligen Vertragsarbeiter*innen.
Bereits zu DDR-Zeiten waren die Vertragsarbeiter*innen regelmäßig rassistischen Angriffen ausgesetzt. Nach der Wende kam es neben Übergriffen seitens der zivilen Bevölkerung, auch zu Gewaltvorfällen von der Polizei.
Kontinuität der Nutzung als Heim
Die Gebäude in der Gehrenseestraße wurden auch nach deren Nutzung als Vertragsarbeiter*innenheim weiter als Heim genutzt. Nach 1989 wurden sie zur Asylbewerberheim für zahlreiche Geflüchtete aus verschiedenen Ländern. Zwischen 1991 und 2000 wurden hier Asylbewerber aus Vietnam, dem mittleren Osten (lrak, Iran, Afghanistan, Syrien) und anderen Ländern zeitweise untergebracht. Als 1993 kriegerische Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien ausbrachen, wurden verstärkt Asylbewerber aus Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien in der Gehrenseestraße untergebracht. In den Jahren 1999/2000 kamen auf Grund der Unruhen im Kosovo vermehrt Kosovo-Albaner nach Hohenschönhausen. Ihre Aufenthaltsdauer war begrenzt und nach Beendigung der kriegerischen Handlungen im Heimatland verließen sie Deutschland wieder. Die erleichterten Einreisebestimmungen für deutsche Bürger, die in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wohnten, führten zur verstärkten Einwanderung von sogenannten Spätaussiedlern zwischen 1991 und 1998. Durch eine humanitäre Hilfsaktion, die 1991 von der Innenministerkonferenz in der BRD beschlossen wurde, kamen jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion als sogenannte Kontingentflüchtlinge nach Deutschland. Sie wurden teilweise auch in der Gehrenseestraße untergebracht.
[1] Indra Küster, Thomas Mayer, Levon Partzsch, Jakob Wirth & Operation Himmelblick
[2] Auszug aus: Rolf Meyerhofer: Hohenschönhausen. Gestern und Heute. Obdach auf Zeit. Zur Geschichte der Ausländerwohnheime in der Gehrenseestraße in Berlin-Hohenschönhausen, S.12.
[3] Vgl. ebd., S. 100.
[4] Vgl. ebd., S.12.
P.S. Die Künstlerin Sung Tieu hat von 1994 bis 1997 mit ihrer Mutter in der Gehrenseestraße gelebt und bietet in unregelmäßigen Abständen sehr informative Führungen über das Gelände an.