Südgelände

Schwerpunkt: Nackte Stadt

Südgelände

Digitale Geländemodelle
Bilder: Benedikt Terwiel; Text: Anna-Lena Wenzel
Neun Computergrafiken, die nicht identifizierbare Landschaften abbilden. Benedikt Terwiel setzt sie aus Geodaten zusammen, die durch Satellitenmessungen gewonnen werden. Sie werden üblicherweise von Geograf*innen und Stadtplaner*innen für Klimamodelle oder Verkehrsplanungen genutzt und sind öffentlich verfügbar.
Es sind digitale Geländemodelle des Berliner Südgeländes, das über den gleichnamigen Natur Park hinaus ein diffus bleibendes Areal im Süden der Stadt bezeichnet. Im Vergleich zu anderen Gebieten Berlins ist die Gegend südlich des Bahnhofs Südkreuz relativ wenig bebaut und durch größere Kleingartenanlagen sowie die Überreste des Rangierbahnhofs Tempelhof geprägt.
Auf den Geländemodellen ist von dieser Geschichte bzw. der Bebauung nichts zu erkennen. Jegliche Vegetation oder künstliche Objekte wie Gebäude sind getilgt, was sichtbar wird, ist die nackte Oberfläche. Terwiel findet, sie sehen aus wie gigantische Ausgrabungsstätten, auf denen die Stadt nur noch als ihr eigener Abdruck vorhanden ist. Doch geraten durch diese Reduktion andere Aspekte in den Blick wie die Höhen und Tiefen bzw. die Struktur der Erdoberfläche. Ins Auge stechen zudem die topografischen Besonderheiten, die das Gelände prägen – wie die Schneisen oder Kreise, die an Flussläufe und Krater erinnern. Sie sind auf sonstigen Karten nicht erkennbar und auch im Alltag in ihren Dimensionen kaum wahrnehmbar.
Der Künstler bearbeitet das digitale Material und fügt den Karten Lichtakzente, Schattenwürfe sowie Wolken am Himmel hinzu. Zudem gestaltet er die Grafiken in unterschiedlichen Farben und provoziert auf diese Weise heterogene Assoziationen: mal sieht es nach Mondoberfläche, Schnee- oder Wüstenlandschaft aus. Dabei fallen kleine schwarze Rechtecke ins Auge. Sie markieren Lücken, an denen entweder keine Daten gemessen werden konnten, oder die als Fehler beim Rendern entstehen.
Ein weiterer Bearbeitungsschritt besteht darin, dass er die Oberflächen aus unterschiedlichen Perspektiven und Höhen darstellt. Mal ist ein Horizont erkennbar und die Landschaft wirkt extrem flach, bei anderen werden kleine Ausschnitte heran gezoomt und die Höhenunterschiede treten hervor. Auf einer Grafik wird so nah an die Oberfläche heran gezoomt, dass sie wie gerastert wirkt. Durch die Vergrößerung wird das Bild extrem pixelig, so dass die digitale Quelle überdeutlich wird.
Durch seine künstlerischen Eingriffe schafft Terwiel Bilder, die mit den ästhetischen Konventionen von Landschaftsdarstellungen spielen. Es sind abstrakte Darstellungen, die ihre digital zusammengesetzte Herkunft nicht verleugnen, sondern produktiv machen.

Die Bilder sind Teil des Künstlerbuches „Feldbuch / Fieldbook, 2014/2021“ von Benedikt Terwiel, erschienen 2021. 
 
Kurzbeiträge

Einwürfe

50% Urban Anna-Lena Wenzel berichtet von einer einwöchigen Sommerschule zum Thema Transformation in Motion.
Zwischen Laternen und Flaggen Ein Essayfragment von Marco Oliveri über das fragile Konstrukt Nachbarschaft
Tischlein Deck Dich Das Buch flavours & friends von TDD enthält Rezepte, ist die Dokumentation einer sozialen Raumpraxis und hält die Veränderungen Berlins fest.

Fundsachen

Gefährten* Eine Serie von Stoffbeuteln, hergestellt aus Stoffen aus der VEB Schirmfabrik Karl-Marx-Stadt, fotografiert von Lysann Nemeth.
Malheur Couleur Die Farbe Weiß weckt zuallererst Assozia
Sechser Inflationär verbreitet: gepinselte Sechsen auf temporärem Stadtmobiliar. 

Straßenszenen

Berliner Trümmerberge Eine Recherche zu den Berliner Trümmerbergen von Karoline Böttcher mit einem Text von Luise Meier. 
Kabinett Gallery Die Kabinett Gallery nutzt ausgediente Kaugummiautomaten als Ausstellungsflächen im öffentlichen Raum
Zu Gast im 24. Stock Algisa Peschel, Stadtplanerin und eine der Erstbewohnerinnen des DDR-Wohnkomplexes in der Berliner Leipziger Straße lädt zu sich nach Hause ein.

So klingt

die Platte Zwei Songtexte von WK13 und Joe Rilla bringen die Ost-Plattenbauten zum Klingen
der Görlitzer Park K.I.Z. rappt über den Görlitzer Park.
Pedestrian Masala Field-Recordings von Andi Otto aus Bangalore, Südindien.

So lebt

(e) es sich in der Schule der Arbeit Ute Richter deckt mit ihrer künstlerischen Forschung ein vergesenes Kapitel der emanzipatorischen Erwachsenenbildung in Leipzig auf.
man nicht mehr im Prenzlauer Berg Das war einmal: der Prenzlauer Berg im Jahr 1991, erinnert von Jo Preußler
(e) es sich im Vertragsarbeiterheim in der Gehrenseestraße Im Februar 2023 lud ein Kollektiv[1] ein