3 Tage Urbane Künste Ruhr, 23 Stationen und ein anschließender Austausch über Kunst im öffentlichen Raum

3 Tage Urbane Künste Ruhr, 23 Stationen und ein anschließender Austausch über Kunst im öffentlichen Raum

Nina Kalenbach und Anna-Lena Wenzel; Fotos: Henning Rogge, Daniel Sadrowski, Anna-Lena Wenzel
Anna-Lena Wenzel: Vor über einer Woche waren wir gemeinsam bei den Eröffnungstagen von Urbane Künste Ruhr und haben zusammen im Pressebus gesessen, haben uns Kunstwerke an den unterschiedlichsten Orten angeschaut und Veranstaltungen besucht. Ich fand es sehr anregend mit dir unterwegs zu sein, da du viel in Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekten mitgearbeitet hast (zuletzt für die Stadtkuratorin Hamburg) und jetzt bei einer Stiftung arbeitest. Was ist dir von den Tagen am meisten in Erinnerung geblieben?

Nina Kalenbach: Für die Ausstellung Ruhr Ding: Schlaf sind wir Anfang Mai in die Städte Mülheim an der Ruhr, Witten, Essen und dem Stadtteil Essen-Steele greist. Wir waren einen Tag zusammen auf der geführten Bustour für Pressevertreter*innen und dann jeweils auf eigene Faust Samstag und Sonntag, du mehr mit dem Auto und ich nur mit dem ÖPNV, unterwegs.

Besonders gut erinnere ich mich an die Videoarbeit Liquid Skin von Melanie Manchot in Witten. Darin werden Arbeiterinnen, wie eine Filmvorführerin, eine Bäckerin und zwei Pole-Tänzerinnen, porträtiert, die nachts werktätig sind. Die Arbeit wird im Kulturzentrum Werk°Stadt gezeigt und es brauchte etwas Überwindung, um in die große Halle des alten Industriehofes einzutreten, und den Vorführraum zu suchen. Die dargestellten Frauen arbeiten scheinbar alle in infrastrukturellen Branchen oder Back-office. Aufgefallen ist mir, dass einige der gezeigten Arbeiterinnen auf ihrem Arbeitsgang Dinge, an denen sie vorbei kamen, an den scheinbar richtigen Platz verräumten. Zum Beispiel gab es eine Szene, in der auf einem Flur ein Objekt so umgestellt wurde, dass niemand darüber stolpern kann. Dieses Wegräumen und Nachbessern ist mir beim Schauen als alle Einzelporträts verbindende Care-Tatigkeit besonders in Erinnerung geblieben. Hast du das auch gesehen?

ALW: Ah interessant. Mir ist hängengeblieben, dass die Frauen alle ziemlich resolut die Räume durchstreifen – als wenn es ihre Räume wären, obwohl es ja „nur“ ihre Arbeitsplätze sind. Was mir von der Arbeit noch in Erinnerung geblieben ist, ist die Ringerin – und die Geschichte, die Melanie Manchot zu ihr erzählte, denn die Frau kommt aus einer Ringerfamilie im Ruhrgebiet und war eine der ersten, die an Wettbewerben teilnehmen durfte, weil Ringen für Frauen erst sehr spät als Wettkampfdisziplin anerkannt wurde. Manchot verknüpft hier feministische wie lokale Stränge miteinander, was ich sehr mochte. Aber du wolltest noch weiter von deinem Tag erzählen …

NK: Von dem ehemaligen Fabrikhallenkomplex ging es auf meiner Route weiter zur Soundarbeit who wants to tell der Künstlerin Nora Turato im Schwesternpark bei einem Evangelischen Krankenhaus. Die Soundarbeit ist auf mehrere Stationen im Park verteilt und konnte auf die unterschiedlich gestalten Gartenlandschaften des Parks zurückgreifen. Der Park, der für die Schwestern des Hospitals, die aus vielen Ländern der Welt zum Arbeiten (in den Bereichen Care und Mission) nach Witten kamen, ist ähnlich wie ein botanischer Garten in Themenlandschaften unterteilt. Der Ort ist für sich schon ein Kleinod mit seinem Azaleen-Hain, der kunstvoll angelegten Tropfsteinanlage und Heidelandschaft. Die Arbeit Nora Turatos ist eine Huldigung des Philosophierens, würde ich sagen, und bot eine alle Sinne einbeziehende Erfahrung an. Die verschiedenen Gartenlandschaften als Standorte der via Mikrofon eingespielten Soundstücke konnten dabei Bild werden für eine Perspektivenvielfalt beim Denken. Nach der abgedunkelten Kino-„Höhle“, in der ich sehr der Erzählung des Films folgte, war es schön im Freien zu sein und neben der Kunst auch anderes entdecken zu können. Der Schwesternpark liegt etwas versteckt hinter dem Krankenhaus, und wird über Nacht geschlossen, aber tagsüber ist es ein öffentlich zugänglicher Raum ohne Eintrittsgeld. Wirklich ein Geschenk.

Vom der Pressetour habe ich auch die Rauminstallation und Videoarbeit Sister Flat II von Alicja Rogalska, die in einer Mietswohnung in Essen-Steele gezeigt wird als sehr überzeugend in Erinnerung. Ein Thema war der Ort Wohnung als Arbeitsfeld von Frauen sowie eine feministische Auseinandersetzung damit. 

Wie war das bei dir? Was ist dir von der Exkursion stark im Gedächtnis geblieben oder hat dich berührt?

PS: Ich sitze hier gerade am Lago Maggiore bei lang ersehntem Sonnenschein auf einer privaten Terrasse 550 ÜNN, schaue über Felder und Dörfer über weite Teile des Sees, in die umgebenden Bergketten und in die Städte in Uferlage hinein. Bei den Ausflügen der letzten Tage war erstaunlich, dass trotz des überwiegenden Regenwetters nahezu jeder öffentliche Platz, ob im Bergdorf oder Stadtzentrum, belebt gewesen ist. Schon ein großer Unterschied zu Hamburg, wo es ja kaum richtige Platzanlagen gibt, die zu beleben wären.

ALW: Ui, du bist am Lago Maggiore! Was für ein Kontrastprogramm zum post-industriellen Ruhrgebiet, wo urbane, suburbane und landwirtschaftlich genutzte Räume so nah beieinander liegen. Wenn ich sagen müßte, was mir im Gedächtnis geblieben ist, dann ist es die Idee, eine Ausstellung an verschiedenen Orten über mehrere Städte verteilt zu realisieren – und dabei öffentlichen Räume wie Parks, Trinkhallen und Schaufenster genauso zu nutzen, wie Kunstinstitutionen und sozio-kulturelle Zentren. Hinzukommen Orte, die üblicherweise nicht zugänglich sind, wie ein Wasserwerk oder eine private Wohnung. Diese Orte zu erkunden (sie sich im wahrsten Sinne erfahren und erlaufen zu müssen), ist eine besondere Erfahrung, die Commitment erfordert. Sie führt dazu, dass die Orte an sich und ihre jeweilige stadträumliche Umgebung zu einem Bestandteil des Kunst-Erlebnis werden. Ich stehe ja darauf, aber für Besucher*innen, die wenig Zeit mitbringen, führt dies eventuell dazu, dass die Erwartungshaltung besonders hoch ist – und es zu Enttäuschungen kommt, falls die Arbeit nicht hält, was sie versprochen hat. Insgesamt fand ich das Niveau aber sehr hoch – und hatte viele schöne Entdecker-Momente. Das liegt auch daran, dass es sehr unterschiedliche Arbeiten gibt – dokumentarisch-feministische (Alicja Rogalska), reduziert installative (Nadia Kabia-Linke) oder partizipative (Maximiliane Baumgartner, Michel Gondry). Es gibt Video- und Soundarbeiten (Katarina Jazbek, Nora Turato, Nik Nowak), skulpturale Interventionen (wie die mit schaumgefüllte Telefonzelle von Stephanie Lüsing) und Ausstellungen in der Ausstellung (The Wig und Museum für Fotokopie im Makroscope). Häufig geht es darum, leerstehende Orte zu aktivieren, wie im Fall von Viro Erol Vert und Wojciech Bąkowski, die beide ungenutzte Kioske bespielen, oder des Healing Complex von Irene Haiduk in einer entweihten Kirche in Gelsenkirchen. Auf diese Weise wird auch immer der Strukturwandel mit thematisiert, der die Gegend kennzeichnet.
Jetzt habe ich noch eine Frage an dich: Das ganze Ruhr Ding steht ja unter dem Überthema Schlaf. Was nimmst du davon mit?

NK: Den weiten Blick in die Landschaft, und das aus der Ferne auf Stadt zu blicken gab es im Ruhrgebiet nicht. Da waren wir immer mitten im Beton und Städte und Orte schienen Miteinander zu verschwimmen.
Das Thema Schlaf, also mein individueller Schlaf, war sehr präsent für mich. Ich bin Freitag Früh um kurz nach 4 Uhr in Hamburg in den Zug gestiegen. Ich habe mich beim Finden der komfortabelsten Schlafposition an zahlreiche Schlafen-im-Sitzen-Situationen erinnert. Früher beim Interrailen war das Über-Nacht-Reisen im Zug oft eine kostengünstige Variante. Bei der Fahrt nach Essen hat mein Körper versucht wieder die optimale Position auf so einem Sitzplatz oder Zweier zu finden, aber ich bin aus dem Training. Von damals habe ich noch eine Erinnerung an die einfachen Züge aus Portugal – mit einem Ruckeln, fast wie das Galoppieren der Pferde vor einer Kutsche, das war auf jeden Fall sehr gemütlich. Der ICE gab so ein wohliges Dämmern nicht her. Auch die zugestiegenen Fahrgäste, die gegen 6 Uhr morgens zur Ausfahrt mit dem Rennrad hinzustiegen, erschwerten mit ihrer aufgeregten Fachsimpelei die Chance auf Traum und Schlaf.
Mit dem Schlafdefizit und den eher kurzen Stationen an den Kunstwerken auf der Bustour vom Freitag hat sich dieser Tag für mich insgesamt eher vermengt, sodass die Eindrücke etwas verschwommen sind.

Wie angewiesen wir Menschen auf ausreichend und guten Schlaf sind, um regenerieren zu können, habe ich von der Künstlerin Nana Petzet gelernt, mit der ich für ihr Projekt Lichtfalle Hamburg gearbeitet habe.[1] Es ging um die Anziehungskraft von blauem Licht auf Insekten und auf uns Menschen. Ausgangspunkt ist der Blue Port, ein wiederkehrendes touristisches Lichtevent, bei dem das ganze innerstädtische Hafenareal für einige Tage hell erleuchtet wird – bis in den Sternenhimmel ist das zu sehen. Petzets Arbeit ist eine Kritik der immer weiter brennenden Leistungsgesellschaft und klärt dabei über das unterrepräsentierte Thema Lichtverschmutzung und wie sich diese auf Tiere und Menschen auswirkt auf. Was ist dir zum Schlaf-Thema in Erinnerung geblieben?
Für den Bezug zwischen Schlaf und Stadt interessiert mich eher die Frage des Wachseins oder des Erweckens also die Frage wie Öffentlichkeit hergestellt werden kann. Wenngleich der Schlaf auch dafür erhebliche Relevanz hat. Stadtplanerisch entsprechen wohl die Brachfläche und die in Flächenutzungsplänen als Freiräume reservierten, d. h. in Planungsphasen noch nicht konkreten Nutzungen unterworfenen Orte, am ehesten dem regenerativen Schlaf.

ALW: Ich hatte im Vorfeld ja schon ein Interview mit der Schlafwissenschaftlerin Alexandra Correll für das Magazin von UKR über Schlaf geführt, wo wir über Schlafstörungen und den Einfluss von Arbeitsbedingungen auf den Schlaf gesprochen haben und diskutiert haben[2], als ich vor Ort war, ist mir aufgefallen, dass sich viele Künstler*innen auf das Träumen beziehen. Es gibt ein Interesse an den luziden und unkontrollierbaren Zwischenzuständen, die das Träumen produziert. Hierbei fallen mir sofort die Zeichnungen von Wojciech Bąkowski ein, die im Essener Kunstverein gezeigt werden und Traumszenen wie z.B. diffuse Straßenszenen zeigen. Auch Joanna Piotrowskas surreale Fotoinstallationen, bei denen Hände Baumstämme oder Steine, haben etwas Traumähnliches. Das Museum für Fotokopie hat das Thema Schlaf dagegen wörtlich genommen und stellt im Copy-Art-Verfahren bearbeitete Schlafanzüge und Bettwäsche aus.

NK: Ruhr Ding: Schlaf produziert als Ausstellung nicht nur zeitgenössische, ortsbezogene Kunst, präsentiert und vermittelt diese, sondern dieses ganze „Urbane Künste Ruhr“-Ding bewegt sich mit seinem Blick auf das Städtische im Feld der Kunst im öffentlichen Raum. In der Verwaltungsanordnung des kommunalen Kunstförderprogramms in Hamburg wurde, wie in anderen Städten auch Ziele und Leistungen formuliert: „Ziele der Förderung sind die Verbesserung der städtischen Umwelt, die Ausprägung der urbanen Identität Hamburgs und der Eigenart seiner Stadtteile. [...] Zu den Leistungen der bildenden Künstler gehören darüber hinaus Arbeiten, die im Zusammenhang mit Gestaltungsaufträgen Kontakt und Verständnis der unmittelbar Beteiligten fördern sowie der Bevölkerung Einsicht in die künstlerische Praxis und in die Probleme der jeweils gestellten Aufgabe vermitteln.“[3] Wie hast du die Orte der Kunstwerke wahrgenommen? Wie haben sie Öffentlichkeit bzw. Teilöffentlichkeiten geschaffen? Für mich ist das nicht ganz klar geworden, auch mit Blick auf die Umgestaltung des Ruhrgebiets in die 5-Milionen-Enwohner*innen umfassende Metropolregion („Stadt der Städte“). Hast du eine Arbeit in Erinnerung, wo du sagen würdest, dass durch sie ein öffentlicher Raum entsteht oder durch sie als Intervention das Stadtpublikum die Möglichkeit erhält einen (teil-)öffentlichen Raum zu proklamieren?

ALW: Das sind ja gleich mehrere Fragen auf einmal ☺. Ich beantworte die Frage nach den Öffentlichkeiten mit einem Hinweis auf meine Verwandtschaft, die in Witten lebt und mit der ich unterwegs war. Sowohl beim Saalbau als auch beim Märkischen Museum sagten sie, dass sie hier schon Ewigkeiten nicht mehr waren. Sie sagten auch, sie hätten vom Ruhr Ding bis zu meinem Besuch nichts mitbekommen – in der Zeitung hätte nichts gestanden und die Plakate hatten sie nicht gesehen. Ich glaube, es ich wahnsinnig schwer ein Format wie das Ruhr Ding zu etablieren und den Spagat zwischen expertigem Kunstpublikum wie uns und der lokalen Bevölkerung hinzubekommen. Ich finde daher, die Strategie, Orte einzubinden, die sowieso öffentlich sind, oder noch eine andere Nutzung haben wie der Saalbau Witten oder das Makroscope und damit andere Publika mitbringen, total überzeugend. Und auch der Ansatz künstlerische Positionen einzuladen, die bereits in sich vermittelnd und partizipativ arbeiten macht Sinn, um auf diese Weise ein möglichst diverses und lokales Publikum anzusprechen.
Wenn du danach fragst, ob es Arbeiten gab, die die Möglichkeit boten, den Stadtraum neu zu erkunden und wahrzunehmen, finde ich die Schaum-Intervention von Stephanie Lüsing ein gutes Beispiel, weil sie es vermochte für kurze Zeit eine andere Nutzungsweise des Raumes zu inszenieren und dabei Assoziationen an Partys ebenso zu wecken wie an unheilvolle Überschwemmungen. Ich mochte, dass dabei nicht nur die die Kinder im Schaum tobten, sondern auch die Bewohner*innen der Seniorenresidenz Fotos von ihren Balkonen schossen. Ob sie den Raum dadurch aber auch proklamieren, kann ich schwer einschätzen. Das ist ein hoher Anspruch. Hast du dafür ein Beispiel aus Hamburg?

NK: Ja, Lüsings Schaum-Intervention war sehr beeindruckend, wenn auch das ganze nur ein paar Stunden gedauert hat und dabei sicherlich auch auf andere Charakteristika des Spektakels zurückgegriffen wurde. Es ist schade, dass sich die persönliche und allgemeinere „Nachhaltigkeit“ von Kunstbetrachtung oder -erfahrung, wegen der „flüchtigen“ Kunstbegegnung schlecht messen lässt beziehungsweise oft nur eine unmittelbare Wirkung abgefragt wird, aber keine langfristige. Wer macht Jahre oder Jahrzehnte später noch Erhebungen dazu, welchen Einfluss Kunstwerke oder -projekte auf ihre Betrachter*innen und Partizipient*innen hatten?
Lüsings Setzung an einem Sonntagnachmittag in Essen-Steele sehe ich im Hinblick auf meine Frage eher nicht einen öffentlichen oder teilöffentlichen Raum formulieren und behaupten. Ich denke, dafür braucht es einen längeren Zeitraum an einem Ort und eine Akteur*innengemeinschaft, die zusammenwachsen kann und die gemeinsamer agiert, als es bei der Variante die Künstler*in tritt vor ein Publikum der Fall ist. In Hamburg wäre ein prominentes Beispiel für die Proklamation eines öffentlichen Raumes sicher Park Fiction.[4] Wie du ja aus meiner Magisterarbeit weißt, finde ich es sehr bedauerlich, dass das offene Dokumentationszentrum im Planungscontainer als dauerhaftes Park-Fiction-Archiv nicht realisiert wurde – obwohl es Bestandteil der Konzeption war. Das Archiv hätte Dokumente zur „Wunschproduktion“ sowie allen anderen Elementen des künstlerischen und gesellschaftspolitischen Projektprozesses im Quartier bewahrt und vor Ort sichtbar machen wollen. Ein weiteres Projekt in Hamburg, das schon zuvor, 1993, in Hamburg gastierte, war The Open Public Library des Künstlerduos Clegg & Guttmann.[5] An drei Orten in der Stadt haben die Künstler öffentlich zugängliche Bücherschränke aufgestellt, die jeweiligen Anwohner*innenschaften um Buchspenden gebeten und zu einer freien Buchausleihe aufgefordert. Beobachtungen von im Projekt mitwirkenden Soziologie-Studierenden ergaben, dass sich sehr unterschiedliche Communities um die jeweiligen offenen Bibliotheken bildeten. In Mainz habe ich vor einigen Jahren bei einer etwa 10-minütigen Feldforschung beobachten können, dass an der permanenten The Open Public Library eine rege Buchausleihe und freundliches Plauschen unter den Ausleihenden stattfand. Ich bin sehr gespannt, ob Köşk x Kiosk von Viro Erol Vert (Mühlheim an der Ruhr) oder Das Sprechende Eck von Maximiliane Baumgartner (Essen-Steele) ähnlich funktionieren. Hast du das weiterverfolgt?

ALW: Jein, ich habe zwar mit einigen der Künstler*innen Interviews geführt, war aber nicht vor Ort. Ob ein Kunstwerk im öffentlichen Raum längerfristig funktioniert, das heißt genutzt wird und nicht von Vandalismus betroffen wird, hängt vor allem davon ab, ob es Menschen gibt, die es dauerhaft aktivieren – in dem sie es als Treffpunkt nutzen oder sich sogar drum kümmern. Oftmals gibt es dafür ein Budget, umso besser, wenn man Pat*innen findet, die sich verantwortlich fühlen. Das wiederum funktioniert besonders gut, wenn diese von Anfang an beteiligt waren, oder das Projekt für sie eine Relevanz hat, das war bei Park Fiction auf jeden Fall so, weil es um die unmittelbare Nachbarschaft ging. Bei UKR kann ich mir vorstellen, dass der Kiosk von Verol gut als Treffpunkt angenommen wird und Baumgartner schien nicht nur bereits viele Kontakte in die Nachbarschaft geknüpft zu haben, sondern ist auch während der Ausstellungszeit viel vor Ort, das ist auch ein wichtiger Faktor.
 
NK: Das mit der Patenschaft beziehungsweise die Frage nach Verantwortlichkeit ist ein wichtiger Punkt. Ein positives Beispiel haben wir zwei bei der permanenten Skulptur Pile (2019) von Axel Loytved im Essener Wohnviertel Etlingen gesehen.[6] Dort gab es keine Spuren von Graffiti oder mutwilliger Beschädigung Aber die Skulptur steht eben auch in direkter Nachbarschaft zu einem kleinen Anwohner*innen-Garten.
Was denkst du, treffen wir uns nochmal im Ruhrgebiet um die Transformationen in der Mega-Metropole anzusehen?

ALW: Auf jeden Fall! Mich reizt diese Gleichzeitigkeit heterogener Räume sehr. Und außerdem will schon lange den Emscherkunstweg entlangradeln! 


Zu den Projekten, der an Ruhr Ding: Schlaf teilnehmenden Künstler*innen siehe:
https://www.urbanekuensteruhr.de/de/project/ruhr-ding-schlaf

[1] Nana Petzet: Lichtfalle, Textem, Hamburg 2019, und: www.lichtfallehamburg.de
[2] „Der Kontrollverlust ist die notwendige Voraussetzung für den Schlaf.“ Im Gespräch mit Alexandra Correll, Urbane Künste Ruhr Magazin, 2/2023, https://www.urbanekuensteruhr.de/de/magazine/der-kontrollverlust-ist-die...
[3] Zur Hamburger Verwaltungsanordnung über „Kunst im öffentlichen Raum“ § 1, Abs. 1, Satz 2 und § 1, Abs. 2, Satz 4 vom 26. Mai 1981 mit Änderungen vom 26. März 1996, abgedruckt z. B. in: Ivan Baresic- Nikic, „Kunst im öffentlichen Raum“–Politik in der Hansestadt Hamburg, Entstehung und Entwicklung des „Kunst im öffentlichen Raum“–Programms im Spannungsfeld von künstlerischer Freiheit und politischer Inanspruchnahme, teilw. zugl., Hamburg, Univ., Diss., 2007, Hamburg: ConferencePoint Verlag, 2009, S. 239-245, hier S. 239.
[4] Park Fiction ist ein Projekt der Künstler*innen Cathy Skene und Christoph Schäfer mit Stadtteilbewohner*innen, Landschaftsplaner*innen, dem Hafenrandverein e.V. und der GWA St. Pauli Süd e. V., das Mitte der 1990er begann. Siehe auch: https://park-fiction.net/ und: https://fhh1.hamburg.de/Behoerden/Kulturbehoerde/Raum/artists/park.htm
[5] Zur The Open Public Library (1993) von Clegg & Guttmann in Hamburg siehe: Achim Könneke (Hg.), Clegg & Guttmann, Die offene Bibliothek. The Open Public Library, Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit bei Stuttgart 1994, und: https://fhh1.hamburg.de/Behoerden/Kulturbehoerde/Raum/artists/cleg.htm
Zur The Open Public Library von Clegg & Guttmann in Mainz:
https://www.mainz.de/kultur-und-wissenschaft/bibliotheken-und-archive/of...
[6] Zu Pile (2019) von Ayel Loytved siehe: www.axelloytved.de
 
Do, 06/22/2023 - 10:58
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