„Wir müssen das Baurecht dekolonisieren“

„Wir müssen das Baurecht dekolonisieren“

Niloufar Tajeri über die Umbaupläne des Karstadtgebäudes am Hermannplatz und die Motivation für die Gründung der Kiezinitiative
Als letztes Jahr das Projekt der Signa Holding am Hermannplatz vorgestellt wurde mit der Idee der Rekonstruktion an diesem Ort, dachte ich, das kann doch nicht wahr sein. Das war erst mal ein Schock. Zwei Tage nach der Präsentation in der BVV [Bezirksverordnetenversammlung], die ja auch in den Medien besprochen wurde – allerdings nur pressemitteilungsmäßig, das und das wird geplant, das wäre eine große Chance und so weiter –, zwei Tage danach wurde das Ibiza-Video veröffentlicht. In diesem Ibiza-Video wurde der Name derjenigen Person genannt, die hinter der Signa Holding steht, und zwar René Benko. Er wurde von Heinz-Christian Strache erwähnt als einer der mutmaßlichen illegalen Großspender an die extrem rechte FPÖ, also an die österreichischen extrem Rechten. Da war für mich klar, nee, jetzt wird nicht mehr nur gemeckert, sondern jetzt musst du was machen. Das war dann zu viel. Nicht nur neoliberal, nicht nur konservative Rekonstruktion, sondern auch noch extrem rechte Diskurse! Mir hat schon gereicht, dass dieser Name in diesem Video auftaucht. Weil das diejenigen hier in unserem Kiez ermutigt, die jetzt schon Anschläge verüben. Das war der Moment, in dem ich aktiv geworden bin und die Kontakte, die ich in den stadtpolitischen Initiativen hatte, angeschrieben hab: Hey, lasst uns gemeinsam was machen. Dann hab ich meine ersten Recherchen vorgetragen, mit Baby in der Babytrage, weil ich in Elternzeit war. Die Initiative hat sich sehr schnell gegründet und besteht immer noch. Wir haben uns das Ganze angeschaut und versucht zu verstehen. Es ist einfach unglaublich, wie viele Ebenen hier zusammenkommen, die problematisch sind: Es ist nicht nur ein Investor, der Profit machen will, es ist ein Investor, der mit Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen nach vorne tritt und das mit Stolz verkündet. Es ist nicht nur, dass hier der Boden verwertet wird, es wird auch Geschichte verwertet. Es ist nicht nur, dass hier ein Großprojekt entsteht, mit dem die Verdrängung noch mal potenziert wird – Verdrängung von Mieterinnen und Mietern, Verdrängung von Gewerbe –, sondern es ist ein Großprojekt, das vor allen Dingen migrantisches Gewerbe verdrängen wird. Das ist eine Holding, die nicht nur irgendwie Hunderte von Tochterfirmen hat, wo man nicht weiß, woher kommt denn das Geld eigentlich genau. Sondern das ist eine Holding, die im Aufsichtsrat Spitzenpolitiker*innen von der FPÖ sitzen hat, die man schon lange rechtsextrem nennen darf.

Das ist die Gemengelage. Gleichzeitig ist es so, dass der Konzern sehr viel Erfahrung hat, auch mit Protest. Er hat sich schon mit Protest in Bonn, in Bozen, in Innsbruck, in Düsseldorf auseinandergesetzt und kennt sich sehr gut mit unseren beiden Kiezen Kreuzberg und Neukölln aus. Er weiß, dass sie hier natürlich nicht einfach mit Plänen ankommen können. Ich denke, dass die ganz genau wissen, warum sie die Rekonstruktion nehmen und nicht irgendwas anderes. Und ich glaube auch, dass sie mit all diesen Aspekten – von der Hermannbox bis zu diesen Kampagnen, die sie gestartet haben, die auf bürgernah und Dialog und „nicht ohne euch“ tun – sehr genau kalkulieren. Ich denke auch: Die jüngsten Ereignisse, in denen das Projekt dem Bezirk plötzlich sehr autoritär entzogen und zum Senat gebracht wurde, diese autoritären Moves haben viel damit zu tun, dass ihre Kampagnen hier nicht funktioniert haben und nicht angenommen wurden. Ich glaube, dass die Covid-19-Situation, in der wir uns ja jetzt immer noch befinden, da eine große Rolle gespielt hat.

Die Signa Holding ist ein Immobilienunternehmen. Sie sind aber sehr, sehr klug und haben 2014, 2015 den Karstadt-Konzern gekauft und sich damit viele Immobilen in zentralen, innerstädtischen Lagen gesichert. Das heißt, wir haben es nicht mit einem Kaufhauskonzern zu tun, das ist nicht ihr Kernbusiness. Immobilien sind ihr Business. Wir haben schon letztes Jahr gesagt, es geht dem Signa-Konzern nicht um Karstadt. Der Abriss ist für sie ein Vehikel, um dieses Business loszuwerden und damit ein ganz anderes zu etablieren: eine Mixed-Use-Immobilie. Da kann es sein, dass Karstadt vielleicht als einer der Mieter ein paar Jahre sogar einzieht, aber es ist nicht mehr der Kern. Vor der Corona-Krise kam die Fusionierung von Karstadt und Kaufhof, und in der Immobilienbranche und eben in dieser Kaufhausbranche war schon immer diese Spekulation da, dass die Schließung von Filialen an Orten, an denen sie die Immobilien nicht besitzen, in der Schublade sitzt, weil sich das für sie nicht lohnt. Sie wollen eigentlich keine Miete an andere Eigentümer bezahlen und sind vor allen Dingen an den Immobilien interessiert. Dann kamen die verordneten Schließungen von Läden, und das war der perfekte Aufhänger, um zu sagen: Insolvenz, Schutzschirmverfahren, wir müssen jetzt mal schauen, ob wir das überhaupt so weiterführen können.

Und jetzt wird es ein bisschen kompliziert, denn dann haben sie die zweite Phase ihrer Kampagne gestartet: Kurz danach wurde veröffentlicht, dass 80 Filialen geschlossen werden sollen. Diese 80 Filialen sind jetzt auf 50 runtergegangen. Teilweise konnten sie mit den Vermietern verhandeln, um weniger Miete zu bezahlen. Teilweise sind die Städte ihnen entgegengekommen. In dieser Gemengelage sind der Regierende Bürgermeister und seine Stellvertreter*innen, Ramona Pop von den Grünen und Klaus Lederer von den Linken, in Verhandlungen mit dem Signa-Konzern getreten, um Karstadt-Filialen in Berlin zu retten. Sechs dieser Filialen hätten geschlossen werden sollen. Eine in Tegel, die eröffnet werden sollte, hätte nicht eröffnen sollen. Am 3. August 2020 wurde dann ein Vertrag unterzeichnet, und dabei kam raus, dass der Senat verhandeln konnte, dass die Betriebslaufzeiten dieser Filialen um drei bis fünf Jahre verlängert werden. Zwei werden weiterhin schließen, und Tegel wird weiterhin nicht eröffnen. Im Gegenzug hat der Senat dem Konzern bei drei Immobilienprojekten grünes Licht gegeben: „Hier werden wir mit euch kooperieren.“ Eines dieser Projekte ist der Karstadt am Hermannplatz.

Das wurde vom Bezirk bisher nicht begrüßt, die waren kritisch. Auch vom Stadtentwicklungsamt Neukölln wurde das Projekt sehr kritisiert. Es wurde gesagt, dass ein Abriss und dieser Neubau nicht erwünscht sind, vor allen Dingen nicht in dieser Größe, sondern dass es einen behutsamen Umbau geben sollte. Gleichzeitig gab es uns als Initiative. Wir haben mehrere tausend Unterschriften gesammelt. Und in dieser Situation hat der Senat das Projekt genommen und gesagt: Das ist jetzt Chefsache, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wird sich ab jetzt darum kümmern, und es wird einen vorhabensbezogenen Bebauungsplan geben. Vorhabensbezogener Bebauungsplan bedeutet: Ein Eigentümer hat bestimmte Pläne, die relativ konkret sind, die werden sozusagen als Bebauungsplan umgesetzt. Der Investor oder die Eigentümerin trägt die Kosten für einen solchen Bebauungsplan. Die Stadt oder der Senat, das Land Berlin, wäre dann Auftraggeberin, aber das Finanzielle käme vom Privateigentümer. Das ist eine Konstruktion im Baurecht, die sehr, sehr fragwürdig ist. Es gibt Experten, die sich ganz genau mit solchen vorhabensbezogenen Bebauungsplänen von Shopping Malls, Einkaufszentren und so weiter in innerstädtischen Situationen auseinandergesetzt haben. Dabei handelt es sich um ein Planungsinstrument, das eigentlich dafür da ist, den Investorenwünschen entgegenzukommen. Eine gerechte Abwägung von öffentlichem Interesse und Privatinteresse ist mit einem solchen Instrument überhaupt nicht möglich. Das ist wirklich problematisch, denn die Aufgabe des Senats ist es, bei solchen Bauplänen oder Bebauungsplänen oder im Baurecht öffentliches Interesse und Privatinteresse gerecht abzuwägen. Alle sollen glücklich aus der Sache rauskommen. Das wird mit so einem Instrument einfach nicht möglich sein.

In diesem Letter of Intent, dieser Absichtserklärung, steht „unter Einbezug der Zivilgesellschaft“. Das ist ein sehr pauschaler Begriff, das kann alles Mögliche sein. Das kann eine Befragung sein, eine Umfrage, das kann aber auch eine Beteiligung sein. Die ist aber nicht möglich, weil in dieser Absichtserklärung das Ganze auf ein Jahr befristet ist. Das ist absolut nicht machbar mit einem – sag ich mal – einigermaßen gerechten Beteiligungsprozess. Wenn es eine richtige Beteiligung geben sollte, muss man mit mindestens zwei bis drei Jahren rechnen. Und selbst wenn das der Fall ist, kann diese Beteiligung unter jetzigem geltenden Recht nie im Leben wirklich zugänglich sein für die Menschen, die hier im Kiez wohnen. Die Agenturen, die diese Prozesse organisieren und umsetzen, haben vieles nicht auf dem Schirm. Das hier ist ein migrantischer Kiez, in dem es viel Armut gibt. Die Beteiligungsprozesse, -formate und -agenturen sind auf relativ gut gebildete, sehr privilegierte Menschen ausgerichtet: Menschen, die Zeit haben; Menschen, die eine bestimmte Sprache verstehen; Menschen, die schon ein Wissen über Planungsrecht, Baurecht und so weiter haben.

Meine Position ist: Wir müssen dieses Baurecht erst mal dekolonisieren, weil das auf einen besonderen Teil der Geschichte ausgerichtet ist, der ganz viele Menschen ausschließt. Die Gesellschaft hat sich verändert. Sie ist viel diverser geworden, sie ist komplizierter geworden, sie ist konfliktreicher geworden. Am Tisch sitzen nicht nur akademische weiße Menschen, sondern es sitzen ganz viele unterschiedliche Menschen dran, die wollen alle mitreden. Aber diese Formate sind nicht dafür gemacht. Abgesehen davon: Selbst für einen unzulänglichen Beteiligungsprozess – ich würde ihn unzulänglich nennen – ist nicht mal Platz in dieser Absichtserklärung.

Ich glaube, bei diesem Projekt ist der Knackpunkt der Denkmalschutz. Meine These ist, dass die Idee der Rekonstruktion auf eine widersprüchliche Art und Weise dazu beitragen könnte, den Denkmalschutz aufzuheben. Denn einerseits wird natürlich eine Architektur geschaffen, die nichts wirklich mit dem Denkmal des eigentlichen Gebäudes zu tun hat, oder mit der Geschichte des Gebäudes, und nicht mal mit der Architektur des Gebäudes. Es wird nur die Fassade sein, und diese würde sogar in einem anderen Material gebaut werden, nämlich mit Beton und nicht mit Muschelkalk. Das Gebäude hier ist mit Muschelkalk verblendet. Das Gebäude, das entstehen soll, soll mit 70 Metern Beton in die Höhe ragen. Trotzdem glaube ich, dass Signa mit diesem Argument und der Versprechung einer historischen Architektur, die auf strittige Art und Weise eine Art Stadtreparatur durchführen würde, beim Landesdenkmalamt anders auf Gehör träfe, als wenn Signa mit einem Stahl- und Glasturm kommen würde. Und das sag ich deswegen, weil es noch nicht bestätigte Informationen gibt, das ist ein Gerücht, wo ich dran bin, das rauszufinden: Vorherige Eigentümer waren wohl auch daran interessiert, das Ding plattzumachen und was anderes zu bauen. Das ist einfach in der Logik des Spatial Fixes im Turbokapitalismus der Weg, dein Geld unterzubringen. Dafür musst du plattmachen und neu bauen, höher bauen, das Geld muss fließen. Denkmalschutz hebelt das ein bisschen aus, dieses Abreißen und Neubauen. Und das hat auch hier aufgehalten. Aber bisher kam kein Investor mit dieser Idee.
Meine große Sorge ist, dass dieses Verkaufen einer Geschichte und das Wiederheraufbeschwören von Bildern und Architekturen, die von einer anderen Zeit sprechen – auch wenn das eigentlich Disneyfication, Commodification ist –, dass man da noch mal auf eine ganz andere Nostalgie und Sehnsucht und Begehrlichkeiten trifft, bei jeder Person – ob jetzt im Amt oder auf der Straße –, mit der man emotional schon was bewirkt. Die Landesdenkmalbehörde hat auch schon signalisiert, dass sie sich vorstellen könnte, hier den Denkmalschutz für das Gebäudesegment von 1951 aufzuheben, wenn im Gegenzug das andere Segment von 1929 denkmalgerecht saniert und der Rest wiederhergestellt wird.

In einem allerersten Rendering von David Chipperfield sieht man die geplante Dachterrasse, auf der es nur weiße, reiche, junge Menschen gibt, die im Sonnenuntergang Walzer tanzen. Im Hintergrund ragen die zwei Kirchtürme Neuköllns hervor. Das Bild hat sehr klar kommuniziert: Wir rechnen mit ganz anderen Menschen hier, und wir spekulieren auf Verdrängung, die noch stärker sein wird. Das, was jetzt hier ist, wird nicht mehr sein. Es wird noch weißer werden. Und dieses Publikum, weißer, reicher und so weiter, will auch andere Nutzungen.

Wir haben eigentlich von Anfang an festgestellt, dass es eine dritte Stimme braucht. Nicht nur die Stimme aus der Politik, die Stimme der Eigentümer, sondern es braucht die Stimme der Nachbarinnen und Nachbarn, die kritisch sind und recherchieren, wofür Journalistinnen und Journalisten keine Zeit haben. Wir haben ein Faltblatt geschrieben, in dem wir erste Recherchen kommunizieren und die Argumente, die gegen das Projekt sprechen. Dieses Faltblatt funktioniert, und das war unsere erste Aufgabe: zu informieren und die Dinge, die wir recherchiert haben, an alle Leute zu verteilen, die hier sind. Dann haben wir angefangen, uns jeden Donnerstagnachmittag hier vor Ort zu platzieren, die Flyer zu verteilen, mit den Leuten zu sprechen, Unterschriften zu sammeln. Das machen wir seit bald einem Jahr. Das ist eine total wichtige Aufgabe, weil wir mit den Leuten in Kontakt sind. Die meisten sind schockiert, aber viele sind nicht überrascht und teilen unsere Analysen. Sie haben das erlebt, diese Enteignung, die es immer wieder gibt, diese Entrechtung auf unterschiedlichen Ebenen. In diesem Fall können wir definitiv noch etwas machen, weil es noch nicht entschieden ist. Es gibt eine Absichtserklärung, die unverbindlich ist und erst mal verbindlich gemacht werden muss. Und das muss man verhindern.

Es gibt Dinge, da ist das schon längst ausgehandelt. Es gibt Prozesse, die sind viel mehr von Gesetzgebung auf der Bundesebene abhängig. Diese ganze Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, die in den 90ern passiert ist: Das sind Bundesgesetze. Wir brauchen viel, viel tiefgreifendere Veränderungen innerhalb der Gesellschaft, um das aufzuhalten. Aber ich denke nicht, dass Berlin so wie Paris und London werden wird. Das wird anders sein. Aber diese gesellschaftliche Spaltung oder diese Segregationseffekte, die sind jetzt schon längst im Gange. Die hätten wahrscheinlich schon in den 90ern stattfinden sollen, und dann kamen eben andere Krisen, oder die Gelder sind woanders hingeflossen, und Berlin war erst mal nicht so interessant. Aber seit der Finanzkrise 2009 ist Berlin interessant, gerade weil die Preise niedrig waren und die Margen so hoch sind, um Profit zu machen.

Als wir neulich auf dem Hermannplatz standen, kam der Satz: „Ja, aber es wäre nicht schlecht, wenn das hier verkehrsberuhigt wäre.“ Dann meinte ich: „Ja, gut, dann wäre es hier verkehrsberuhigt. Aber was ist mit den Autos, die dann halt woanders rumfahren?“ Eigentlich müssten wir doch, wenn wir ein Problem mit Autos haben, an die Produktionsstätten gehen. Wir müssen uns doch fragen: Ist das das richtige Wirtschaftssystem, in dem wir leben? Wir müssten viel tiefgründigere Veränderungen in Gang setzen, nicht zuletzt wegen der Klimakatastrophe, in der wir uns schon längst befinden, und das ist etwas, was über dem Ganzen und auch dieser Geschichte schwebt: Was ist das eigentlich für eine Stadt, in der wir leben wollen? Können wir überhaupt in ihr leben, wenn es so weitergeht? Ist das jetzt die Zeit, in der man einfach so ein Gebäude plattmachen und einen Betonklotz hinsetzen muss, nur weil dieses Wirtschaftssystem dazu ermutigt und das ermöglicht? Das ist eigentlich die grundlegende Frage, die wir auch hier nicht beantworten können. Auch nicht, wenn wir erfolgreich sind. Das ist eine Frage, die wir viel größer skalieren müssen.

Einer der Gründe, warum ich aktiv geworden bin, ist ja, dass ich nicht wegziehen will und auch nicht kann. Ich glaube, das ist eines der wichtigen Dinge, die man sich immer wieder vergegenwärtigen muss, wenn es darum geht: Wegziehen oder nicht? Nicht alle haben die Wahl. Wenn wir uns über People of Color, schwarze Menschen in diesem Kiez unterhalten: Das ist der Kiez, in dem sie bis zu einem gewissen Grad so sein können und nicht immer wieder daran erinnert werden, dass sie anders sind als die Dominanzgesellschaft. Das ist eine Heimat, die man sich aufgebaut hat. Das ist eine Community, die man woanders nicht einfach wieder hat. Und man hat nicht die Wahl. Es geht um die Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit der Verdrängung. Es gibt natürlich auch Leute, die werden hier verdrängt, eine weiße Mittelschicht oder Studierende. Sie können sich woanders auch wieder einfinden. Aber es gibt Leute, für die bedeutet es existenziell etwas ganz anderes. Da kann man nicht einfach sagen: Ich ziehe nach Brandenburg oder Mecklenburg, und es wird schon gut gehen. Nee. Du steigst da in einen Zug, und man guckt dich an, und du merkst sofort: Du bist anders. Du bist nicht willkommen. Das ist einfach eine existenzielle Bedrohung, wo Menschen, die of Color sind, ziemlich direkt physisch merken, dass sie anders sind oder anders aussehen. Das ist etwas, was mir auch immer wieder wichtig ist zu betonen: Da gibt es einen Unterschied, auch einen Unterschied der Bedrohung, und da gibt es auch einen Unterschied der Freiwilligkeit, und ich glaube, deswegen ist unsere Diskussion so wichtig.

Niloufar Tajeri lebt seit 2009 in Neukölln. Nach Bekanntgabe der Pläne zur Rekonstruktion des Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz gründete sie zusammen mit anderen die Initiative Hermannplatz, die über Hintergründe und Folgen dieses Großprojektes für Gewerbetreibende und die Nachbarschaft aufklärt und Mitsprache einfordert.

Der Text stamm aus dem Buch Wir – Gespräche zum demokratischen Alltag in Berlin von Sonya Schönberger. Ein Projekt des Stadtmuseums Berlin, 2020. Das Buch kann man bei Interesse über eine mail an info [at] stadtmuseum.de bestellen. Die digitale Version des Gesprächs ist Teil des Videoarchivs Berliner Zimmer von Sonya Schönberger.
 
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Fundsachen

OZ in Erinnerung Für „OZ: in memoriam“ hat sich Mary Limo
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Straßenszenen

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