Rappen-Posen-Realness
Rappen-Posen-Realness
Anna-Lena Wenzel: Wann hast du angefangen, zu rappen? War das eine ganz bewusste Entscheidung, nach dem Motto, ich will jetzt Musiker werden, oder entstand die Musik aus dem Bedürfnis, sich auszudrücken?
Patrick mit Absicht: Ich war schon immer Jemand, der eher kreativ veranlagt ist, weniger pragmatisch. Während der Schulzeit hab ich noch mit der Schauspielerei geliebäugelt, dann kam die Musik, die ersten Sachen hatte ich schon 1999 mit Fruity Loops bei mir zu Hause aufgenommen, danach war ich viel auf Freestyle-Battles, bis ich 2004 Jack the Mixtape über Jadoo Records raus gebracht hab und dachte, „so, das is‘ jetzt das, was du beruflich machst“.
Wie viel Patrick steckt in Patrick mit Absicht?
Im Hip-Hop geht es ja vornehmlich um Realness, also das Konzept, jenes in seiner Kunst zu verkörpern, was man auch tatsächlich lebt. Natürlich ist man auch ein Performer und bedient sich deshalb diverser Stilmittel oder eines Images und das, was dann am Ende raus kommt, ist eben meist sehr überzogen, um unterhaltsam zu sein. Aber im Kern spiegelt mich jeder Track auf eine gewisse Art wider. Eine Facette von mir. Häufig ist es mein Humor.
Wie fühlt es sich an, wenn du zu Patrick mit Absicht wirst – als wenn du eine Rolle annimmst, die du nach getaner Arbeit auch wieder ablegen kannst?
Patrick mit Absicht ist ganz klar meine berufliche Rolle. Genauso, wie „Manager“ die berufliche Rolle des Chefs einer Firma ist oder „Verkäuferin“ die Rolle der Tante, die bei Netto hinter der Kasse sitzt. Je nachdem, wie doll es da Divergenzen zum alltäglichen Umfeld, der alltäglichen Rolle, in meinem Fall einfach Patrick, gibt, desto krasser schlüpft man eben auch in eine Rolle, um der sozialen Umgebung, in der man sich befindet, gerecht zu werden. Das is‘ bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger ausgeprägt. Wenn ich mit meinen Jungs Computer spiel, bin ich definitiv nicht mehr Patrick mit Absicht, der auf der Bühne steht und rappt. Aber wie schon erwähnt, da alles, was ich in meiner Musik mache, Teil von mir ist, ist meine Musik auch immer ein Teil von mir. Auch im Privatleben, vielleicht unterscheidet sich das so von anderen Berufen.
Rappen als urbanes Phänomen
In Beast Man heißt es: Du bist urban – so wie Kumpel aus deiner Hood/ Ich bin rural – so wie der Dschungel auf meiner Brust. Ist Rappen eigentlich ein urbanes Phänomen?
Ja, Rap ist sehr urban. Eigentlich ausschließlich.
Was sind Themen, die dich beschäftigen und die du in deinen Songs verhandelst?
Puh, das is‘ echt alles Mögliche, haha, was der jeweilige Moment so an Inspirationen her gibt. Meistens ironische, humoristische, grenzwertige Sachen. Viel Sci-Fi, viel Quatsch, viel Nerdkram. Was ich halt persönlich feier und lebe.
Rappen hat ja oft etwas Aggressives, Polemisch-Anklagendes, gilt das auch für deine Songs?
Definitiv. Ich könnte jetzt weit ausholen, und sagen, dass das ja im Ursprung des Hip-Hop seine Wurzeln hat, da es damals eben auch darum ging, seine Stimme gegen soziale Ungerechtigkeit zu erheben, aber bei mir ist das natürlich irgendwie nicht wirklich der Grund. Aber ich mag direkte, aggressive Musik und man wird eben auch eher gehört, wenn man Menschen/Umstände ins Fadenkreuz seiner Texte setzt, als wenn man nur so vor sich hin säuselt.
Angriff ist die beste Verteidigung
In Beast Man gibt es einige Aussagen, die man als homophob bezeichnen könnte … Wie gehst du damit um, dass du mit deinen Texten provozierst?
Provokation gehört für mich einfach zur Kunst dazu und Musik/Rap ist eine Kunstform, über die ich mich ausdrücke. Ich könnte auch explizit zu dem Song Beast Man sagen, wieso und mit welchem Ziel das so ist! Da müsste ich aber schon ein bisschen ausholen.
Ja gerne!
Also. Beast Man funktioniert als Gesamtprodukt auf drei Ebenen. Ebene eins ist die Reminiszenz an vergangene Kindheitsidole/Figuren aus der Kindheit, in diesem Fall "Masters of the Universe". "Beast Man" war immer eine meiner Lieblingsfiguren von denen. Des Weiteren weiß jeder, der das Hip-Hop-Biz etwas verfolgt, dass es grade Mode ist, sich video- oder imagetechnisch, muskelbepackt, maskulin, animalisch vor den Eisen ablichten zu lassen. Irgendwo spring ich auf diesen Zug auf, nehm die tumbe Eindimensionalität des Ganzen aber gleichzeitig total auf die Schippe. Die dritte, und meines Erachtens, wichtigste Aussage, ist die verbale/visuelle Kriegserklärung an alle Gender Bender, androgynen Hipstertypen und U-Bahn-Sexuelle [Metrosexuelle, Anm. d. Redaktion]. Ich vertrete da einen ganzen klaren Standpunkt und halte gar nichts von dieser geschlechtlichen Diffusität und für mich komplett fehlenden, klaren Definitionen des Rollenbilds in dieser Gesellschaft. Natürlich nehm ich das alles mit einer Prise Humor, aber es ist mir dennoch wichtig, das hervorzuheben. Eine Bekannte hat mir neulich einen Genderartikel geschickt, wo es darum ging, dass Furzen eine Form der Vergewaltigung ist. Alter. Stumpfer und unnötiger als jeder Rap-Text.
Spiel mit Klischees
Du hast mal gesagt, dass es beim Rappen häufig darum geht, wer die sprichwörtlichen "größten Eier” hat. In dem Video zu Beast Man sieht man dich immer wieder posen und mit deinen Armmuskeln spielen … Aber bei unserem letzten Treffen habe ich dich ganz anders wahrgenommen – eher nachdenklich. Empfindest du das auch so? Dass es zwei (drei, vier, viele) Seiten an dir gibt, die man aber nicht alle gleichzeitig zeigen kann?
Ganz genau. Der Mensch hat so viele Facetten. Natürlich kann ich die nicht alle in einem Song vereinen, dass würde glaub' ich das Konzept „Mensch sein“ ad absurdum führen. Im Rap bin ich zu Hause, dort kann ich mich wesentlich freier bewegen und aus mir rauskommen. Lauter sein. Aber um noch mal kurz auf das Video zurückzukommen. Das is‘ ja ganz klar überzogen und bis zu einem Punkt eher kokettierend, was so dieses Klischee-Mannbild angeht, das muss man ja auch verstehen.
Im November ist dein neues Album erschienen, wie fühlt sich das nach siebenjähriger Pause an?
Ich bin froh, endlich wieder einen fertigen Release am Start zu haben. Das ist für mich eine Art Abschluss und ein Neuanfang: endlich aus meiner schlechten Zeit raus sein und wieder Musik machen. An dieser Stelle muss ich mich auch bei Dustin, meinem Produzenten, und Bartek, Sänger/Produzent/Freund, bedanken, ohne die das nicht möglich gewesen wär.
Weitere Infos: http://hiphop.de/patrick-mit-absicht#.VJ2qte8AJA