Spiegel Online und der Körper von Hartz IV
Spiegel Online und der Körper von Hartz IV
Dick, schlecht gekleidet und kinderreich –
so stellt sich Spiegel Online Hartz-IV-Empfänger_innen vor. Am 25.04.12 meldete das Nachrichtenmagazin, dass nach einem Berliner Gerichtsurteil der Hartz-IV-Satz zu niedrig ist. Der Artikel an sich ist recht sachlich, sobald man sich aber das dazugehörige Foto anschaut, ergibt sich ein ganz anderes Bild: Zu sehen sind fünf von hinten aufgenommene Personen: drei Mädchen, ein Junge sowie eine Frau – offenbar die Mutter der Kinder. Das Bild suggeriert mindestens drei typische Merkmale der Hartz-IV-Bezieher_innen:
- Kleidung: Die Familienmitglieder tragen weite, unmodische Klamotten. Die Hartz-IV-Familie trägt also ‚Kik-Schlabberlook‘. Der Sozialleistungsbezieher lässt sich halt gehen – der Vorwurf an die Mutter, dass sie das zulässt, ist implizit.
- Körper: Die Frau ist stark übergewichtig wie auch eine ihrer Töchter. Assoziationskette: Schlechte Ernährung – Übergewicht – Hartz IV. „Warum ernährt die Frau ihre Kinder so schlecht?“, mag man denken. Der typische Hartz-IV-Empfänger ist also dick und ‚vererbt‘ dies offenbar weiter.
- Kinder: Auf dem Foto ist zu erkennen, dass die (alleinstehende?) Mutter, einen Kinderwagen schiebt, offensichtlich ihr fünftes Kind. Das rundet das Bild des ‚Hartz-IV-Menschen‘ ab: Er vermehrt sich rasant und nimmt bei seiner Familienplanung keine Rücksicht auf seine finanzielle Situation – der Staat zahlt ja für alle!
Armut hat aber viele Gesichter – insbesondere in der Stadt, in der sie sichtbarer und schroffer ist als in ländlichen Regionen: Pfandflaschensammelnde Rentner können von ihr betroffen sein, aber auch ‚junge Kreative‘. Das weiß auch Spiegel Online, bedient mit dem Bild aber lieber schäbige Stereotype. Eine Frage beschäftigt mich noch: Wie ist das Bild entstanden? Hat ein Fotograf den Auftrag bekommen vor einem Jobcenter oder Aldi-Markt auf den ‚typischen‘ Hartz-IV-Bezieher zu lauern? Auf jeden Fall entlarvt das Foto eher das Denken der Medienmacher als dass es etwas über die beschriebene, vielschichtigere Bevölkerungsgruppe aussagt.
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-gericht-haelt-regelsa...