Stadt Rand Fluss

Schwerpunkt: Dörfer

Stadt Rand Fluss

Zwei Schilderungen der fließenden Übergänge von Dorf und Stadt
Maik Ronz und Anna-Lena Wenzel

Rand Stadt I


Selbst einen Teil der Kindheit in einem Plattenbau aufgewachsen, durchstreife ich das einstige Vorzeigeprojekt Halle-Neustadt. Entgegen aller Widrigkeiten wurde hier in den 1960/70er Jahren und darüber hinaus eine Vision der modernen Stadt und mit ihr die Vorstellung der "sozialistischen Persönlichkeit" in Beton gegossen und über noch vorhandene dörfliche Strukturen gestülpt. Das, was von letzerem erhalten blieb, war in Anbetracht der Monumentalität und aufgeladenen Bedeutung der neuen Stadt bestenfalls Staffage.

Heute, mehr als zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR, bietet sich mir ein anderes Bild. Die kleinteiligen Strukturen am Rande prosperieren, während sich die Idee der Großsiedlung scheinbar überholt hat. Die proklamierte kollektive Aufbruchsstimmung ist dem Kleinbürgerlichen und seinen schlimmen Facetten gewichen. Beschränkten sich die Individualisierungsmöglichkeiten im standardisierten Plattenbau nach außen lediglich auf die Gestaltung des Balkons, so eignet sich der Traum vom Eigenheim - in Fertigbauweise und mit Carport - wesentlich besser zur Schaustellung persönlicher Vorlieben. Und das immer in Sichtweite zu den Plattenbaumonumenten von einst!


Dorf Stadt


Wenn ich an Dörfer oder Kleinstädte denke, tauchen sofort widersprüchliche Bilder in mir auf: Trostlose und vom Verfall bedrohte Dorfstrukturen auf der einen Seite; gut gepflegte Dörfer mit Wochenendhäusern für die gründurstigen Städter auf der anderen Seite. Überalterten und verlassenen Dörfern stehen prosperierende Speckgürtel gegenüber, in denen es vielfältige Beziehungsgeflechte gibt und die Einwohner in der Lokalpolitik, in der Kirche, im Fußballverein engagiert sind.

Ich erinnere mich an die Besuche bei meinen Großeltern in einer sogenannten „Landstadt“ (einer Stadt mit weniger als 5000 Einwohnern) in Niedersachsen. Dort gab es eine gemütliche Einkaufsstraße mit zwei Schlachtern, Bäckern, Bekleidungsgeschäften und einem Blumenladen. Mein Opa war im Solling- und im Schützenverein aktiv, meine Oma unternahm mit den Landfrauen regelmäßig Ausflüge und ging einmal die Woche kegeln. Stand ein runder Geburtstag an, kamen der Pastor und der Chor zum Gratulieren vorbei. Da war das Haus voll! Als ich das letzte Mal dort war, ist die Einkaufsstraße durch die Umgehungsstraße beruhigt worden. Statt Schlachtern tummeln sich dort nun mobile Pflegedienste und Fußpflegestudios. Mehrere ältere Damen schieben ihre Rollatoren vorbei. Einige Häuser stehen leer und verfallen. Etwas außerhalb des Stadtkerns dagegen ballen sich die Discounter. Dort sitzt man nun kaffetrinkend beim Kettenbäcker und schaut auf den größtenteils leeren Parkplatz.


Rand Stadt II


Anders geht es in Tennenlohe zu, einer Gemeinde mit 4500 Einwohnern, die zur bayrischen Stadt Erlangen gehört, die wiederum mit Nürnberg und Fürth eine sogenannte Metropolregion bildet. Dort sind wir zur Konfirmation meiner Nichte eingeladen. Abends geht’s zur Dorfkneipe, in der es tatsächlich so familiär und fleischlastig zugeht, wie man das in einer Kleinstadt in Bayern erwartet. Der Wirt ist zugleich Bürgermeister, sein Sohn trainiert im selben Fußballverein wie mein Neffe. Am nächsten Tag in der Kirche ist es rappelvoll. Alle sind versammelt. Parallel zu den Kirchenglocken hören wir den Hahn krähen, der ebenfalls zur Kirchengemeinde gehört. Später wird nach alter Tradition Kuchen an die Nachbarn verteilt. Schnell wird deutlich, wie hier alles irgendwie zusammenhängt.



 

 
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Spaces of Solidarity Der Kiosk of Solidarity macht Station in einer Ausstellung im Deutschen Architektur Zentrum

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OZ in Erinnerung Für „OZ: in memoriam“ hat sich Mary Limo
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Zu Gast im 24. Stock Zu Gast bei Algisa Peschel, Stadtplanerin und eine der Erstbewohnerinnen des DDR-Wohnkomplexes in der Berliner Leipziger Straße
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