Hörst du noch oder lauschst du schon?
Hörst du noch oder lauschst du schon?
Wer kennt das nicht, wenn man ungewollt Zeuge der Telefongespräche seiner Sitznachbarn wird? Plötzlich wird man über intimste Details informiert oder darf lautstarken Auseinandersetzungen lauschen. Oft würde ich am liebsten meine Ohren verschließen, aber manchmal habe ich auch schon angefangen zu lauschen und zu spekulieren, wer auf der anderen Seite spricht und was dort gesagt wird.
Der Künstler Michael Heindl hat dieses Belauschen zur Kunst erklärt: Er ist mit offenen Ohren mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren und hat das Gehörte notiert. Ergänzt werden diese Protokolle durch eine schnelle Porträtzeichnung sowie das Datum und den Ort der Aufzeichnung. Mittlerweile hat er über 150 Gespräche festgehalten und eine eigene Archiv-Installation (T-Archiv, 2016/2017) für sie gebaut.
Den Künstler interessiert dabei der Kontrast zwischen den so freimütig mitgeteilten und „nutzlosen“ Informationen und der ökonomischen Verwertbarkeit dieser Daten in anderen Zusammenhängen. Obwohl die belauschten Gespräche in ökonomischer Hinsicht unbrauchbar sind, generieren sie seiner Meinung dennoch einen Mehrwert: „Betrachtet man die Mitschriften, so beginnt man automatisch ein Narrativ zu konstruieren. Es entstehen Geschichten, die mehr noch als über die telefonierende Person, etwas über den Betrachter selbst aussagen“, heißt es auf seiner Webseite. Dem kann ich nur zustimmen (und fühle mich ein bisschen ertappt dabei).