who cares

who cares

Text: Anna-Lena Wenzel

Wortzeichnungen von Franziska Nast

In der Frage „who cares? stecken mehrere Möglichkeiten: Wer kümmert sich? Und: Wen interessiert es? Es sind oft offene oder mehrdeutige Formulierungen, wie OK oder OHHH, die die Künstlerin Franziska Nast unter dem Titel „who cares“ versammelt hat, um sie auf den Boden zu schreiben. Zu schreiben? Ja, nein. Genau genommen fügt sie nichts hinzu, sondern nimmt etwas weg, wenn sie mit einem Hochdruckreiniger Schriftzüge formt. Man könnte auch sagen, sie reinigt den Boden, wenn sie mit Hilfe von Wasser Schmutz entfernt und auf diese Weise Kunst schafft. Sie selber spricht oft von kärchern, wenn sie ihre Arbeit beschreibt, eine Anspielung auf die Marke des Hochdruckreinigerherstellers, aber eben auch ein Spiel mit dem Wort „care“. Arie Hartog sieht in diesem Move,  eine "kunsthistorische Verbindung zu der heute in Europa fast unbekannten Mierle Laderman Ukeles (geb. 1939), die 1969 kritisierte, dass in der zeitgenössischen Kunst von Fortschritt und nie von Pflege und Instandhaltung die Rede sei. Anstelle auszustellen, fing sie an, Galerien und Kunsträume zu reinigen und deklarierte das zu ihrer Kunst. Sie ist vor allem für eine Frage bekannt: 'After the revolution, who’s going to pick up the garbage on Monday morning?' Das hat 2020 nichts an Relevanz eingebüßt."[1] Für Hartog steht Nast mit ihren halbdestruktiven Arbeiten mit einem Bein in dieser Tradition. "Es ist Graffiti und gleichzeitig Aufräumen", heißt es in seinem Text. Er sieht darin  "effektives Understatement". Ich sehe darin auch eine spielerische Aneignung von Sprache und Raum, denn Franziska Nast Arbeit verwendet Wörter und Sätze, die sie in der Alltagssprache findet und von dort in den öffentlichen Raum überträgt – sei es weil sie mit ungewöhnlichen Lautverschiebungen einhergehen oder gesellschaftliche Phänomene beschreiben, die die Künstlerin umtreiben.

Die meisten Zeichnungen sind während der Corona-Pandemie entstanden, als Franziska Nast eines der Stipendien aus dem Hilfsfond der Hamburgischen Kulturstiftung bekommen hat, doch verfolgt sie die Idee schon länger und hat bereits in Wilhelmshaven, Hannover und Berlin in den Boden gespritzt. In Hamburg sind die Zeichnungen meist vor Kunstinstitutionen wie dem Kunsthaus, der Galerie Melike Bilir oder dem Gängeviertel entstanden. Es sind ephemere Zeichnungen, das heißt die Einschreibung in den Stadtraum ist nur temporär. Aber dennoch ist der öffentliche Raum bewusst gewählt, weil es der Raum ist, der durch den Lockdown an Bedeutung gewonnen hat (zunächst weil er durch Aufenthaltsbeschränkungen reglementiert wurde, dann weil er Alternativen für die geschlossenen Innenräume bot). Und weil hier Menschen angesprochen werden, die sonst nicht in Kunstorte gehen (oder nicht gehen können, weil diese aufgrund der Corona-Beschränkungen geschlossen sind).


Fotos:
Who cares #7 (Who cares), 2020, Kunsthaus Hamburg, Foto: Rahel Bruns /  Who cares #6 (OHHHH), 2020, Galerie Melike Bilir Foto: Franziska Nast /  Who cares #2 (OHHHHHHHH), 2020, Admiralitätstraße, Foto: Axel Loytved / Who cares #4 (was is denn nun die TROOOTH?)“, 2020, Gängeviertel Foto: Axel Loytved /  Who cares #3, (I don’t know), 2020, Gewerbehof Borselstraße, Foto: Axel Loytved / Who cares #5, (venga)“, 2020, Atelier Rahel Bruns Foto: Rahel Bruns / Who cares #1 (oll korrekt), 2020, Künstlerhaus Frise, Foto: Rahel Bruns / World Of Buffering, 2020, Erlkönig, Bremen, Foto: Engelke / World Of Buffering, 2020, Erlkönig, Bremen, Foto: Pio Rahner
 
Di, 11/03/2020 - 09:22
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