Schönhauser hinauf und hinunter
Schönhauser hinauf und hinunter
Heute, Mittwoch, laufe ich die Schönhauser Allee hinauf
Und dann hinunter
Wie fast jeden Tag
Vor Fleischer Mischke
Steht noch immer der Spargelstand
Gibt es noch Spargel? Am 25. Juni?
An der Kreuzung Eberswalder Straße ist immer etwas los
Vor bald einem Jahr
Verschenkte die Berliner Bank ihre alten Leuchtbuchstaben
Es kam zu einem kleinen Auflauf
Ich ging mit einem kleinen e nach Hause
Heute ist es schön laut, weil es regnet
Alles hallt
Schirme werden über den Trottoir getragen
Menschen gehen darunter
Und die Linden zwischen Bürgersteig und Fahrradweg
Sehen aus als bekämen sie heute genug zu trinken
Das viele Wasser von oben ist eigentlich ein Geschenk
Wir sind reich, weil wir so viel Wasser haben
Hier ist keine Wüste
Hier wächst so viel
Wenn es nicht ertrinkt
Der Neubau Ecke Cantianstraße ist fast fertig
Wieder eine Lücke weniger
Bei Matratzen-Concorde
Sind wieder „Bett-Wochen“. Und es ist Sale
Sale ist eigentlich immer
Heute sind nicht viele Radfahrer unterwegs
Sonst ist die Schönhauser auch eine Radautobahn
Es fährt sich halt schlecht mit Schirm
Aus dem Fischladen riecht’s
Ein Mann trägt eine Wintermütze
Warum liegt eigentlich Laub auf dem Gehweg?
Ist schon wieder Herbst?
Nein, es schüttet bloß. Es gießt. Aus Kübeln.
Ein Restaurant sucht einen Koch oder eine Köchin
Ich komme an einem Haus vorbei, in dem ich einmal gewohnt habe
Es ist ein paar Jahre her
Wir hatten eine schöne Aussicht.
Die Blätter der Bäume, die heute bestimmt genug Wasser bekommen, glänzen
Die Kronen der Linden stehen doppelgrün da
Wie zweifarbig gemalt sehen sie aus
zwei verschiedene Grüntöne, einer heller, einer dunkel, mischen sich im Laub
Und groß sind sie geworden. Sie sind gewachsen.
Die U-Bahn, die hier ja gar keine Untergrund- sondern eine Hochbahn ist
dröhnt heute besonders laut
Winkt mir nicht jemand? Von oben? Aus dem Fenster?
Ich gehe so gern über die Schönhauser
Der Regen macht die schmutzigen Autos sauber
Und wäscht den Staub von der Straße
Danke lieber Regen, der du mir auf den Schirm tröpfelst
Auf mein Geh-Zelt
Frauen in Friesennerzen rollen auf Fahrrädern vorbei
Friesennerze gibt es nun auch in Neon-Orange, sie leuchten
In der Schirmmode
überwiegen gedeckte Farben
Ecke Kastanienallee
Glänzen die feuchten Granitplatten zwischen dem Kopfsteinpflaster
Caillebotte hätte seine Freude
Er könnte das malen.
Fotos: Gerd Danigel - Schönhauser Allee 1986, 1988, 1987