Wünsche gegen Spenden

Wünsche gegen Spenden

Wie das Kollektiv "Literatur für das, was passiert" Gutes tut
Das Kollektiv „Literatur für das, was passiert“ verfasst individuelle Wunschtexte und nimmt dafür Spenden für Menschen auf der Flucht entgegen. Das perfekte Weihnachtsgeschenk für die Lieben oder auch als Selbstgeschenk. Die Autor*innen sind mit Schreibmaschinen täglich von 12-18:30 Uhr im Literaturforum im Brecht-Haus und nehmen Textbestellungen aller Art entgegen. Wünscht Euch Gedichte über Hunde mit Autoimmunerkrankungen, Prosa für Rilke lesende Töchter oder Geschichten über Liebe in Zeiten der Klimakrise.

Wo? Pop-Up-Store im Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestraße 125, 10115 Berlin
Wann? 7. bis 11. Dezember 2020, 12:00 bis 18:30 Uhr
Wie? Die Wünsche werden per Telefon (030 28 28 042) oder Mail an pop-up-store [at] lfbrecht.de (ab 4. Dezember 2020) entgegen genommen. Nur in Ausnahmefällen können Wünsche persönlich entgegengenommen werden. Die fertigen Texte werden per Post zugestellt oder können vor Ort abgeholt werden.

Die eingenommenen Spenden werden aufgeteilt und gehen an die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen e.V., die u.a. medizinische Hilfe für Asylsuchende auf den griechischen Inseln leisten und an die Neue Nachbarschaft / Moabit e.V., deren ehrenamtliche Mitarbeiter*innen täglich ein integratives Programm anbieten – wie beispielsweise Sprachkurse, kostenlose Rechtsberatung der Refugee Law Clinic oder gemeinsames Kochen für die Nachbarschaft.
Gespendet werden kann entweder in bar vor Ort bei der Abholung der Texte oder online per Überweisung. Die Mindestspende beträgt 15 Euro.

Als Autor*innen sind dieses Jahr mit dabei: Donat Blum, Christian Dittloff, Daniela Dröscher, Paula Fürstenberg, Anna Hetzer, Yael Inokai, Maruan Paschen, Caca Savic, Lea Schneider, Tillmann Severin, Lorena Simmel, Isabel Wanger und Ron Winkler.

Der Pop-Up-Store geht damit in sein zweites Jahr. Bereits 2019 wurden 182 Texte verfasst und über 4.000 € und 1.000 CHF für die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl gesammelt.

Was treibt die Autor*innen an? Paula Fürstenberg spricht davon, dass die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre, insbesondere das Erstarken rechtspopulistischer, wissenschaftsleugnender und rassistischer Positionen, für viele Autor*innen eine Notwendigkeit erzeugt hat, den Schreibtisch zu verlassen. Dabei kam allmählich der Verdacht auf, das Schreiben von Literatur sei kein ausreichendes Mittel, mit der Welt umzugehen, denn was Literatur oft nicht kann, ist schnell zu reagieren. „Wir sitzen jahrelang an unseren Schreibtischen und bis der nächste Roman oder Gedichtband fertig ist, fürchten wir, sind die Polkappen abgeschmolzen und viele Menschen im Mittelmeer ertrunken. ‚Literatur für das, was passiert‘ ist für uns der Versuch, darauf unmittelbar zu antworten. Außerdem möchten wir das Gespräch wach halten darüber, welche Bedingungen die Gesellschaft für Menschen bereithält, die Schutz in ihr suchen. Was einerseits der Mangel der Literatur ist – ihre Langsamkeit – ist zugleich ihre große Stärke: Abseits eines schnelllebigen und hypegeleiteten gesellschaftlichen Diskurses hat die Literatur Zeit – Zeit für den Einzelfall, Zeit für Langzeitbeobachtungen, Zeit für komplexe Darstellungen. Oder anders gesagt: Wir Schreibenden verfügen berufsbedingt über ein gewisses Durchhaltevermögen, das durchaus als Kampfansage verstanden werden darf an all jene, die das Recht auf Asyl einschränken und mit fragwürdigen Deals nicht nur Menschen, sondern auch die eigene Verantwortung an die europäischen Außengrenzen abschieben wollen.“

Nachdem letztes Jahr Günter Burkhardt, Mitbegründer und Geschäftsführer von Pro Asyl, zu Besuch war und die Situation in den Flüchtlingscamps an der Grenze von Griechenland und Türkei schilderte, entschied das Kollektiv, literarische, offene Briefe an Horst Seehofer zu verfassen. Den von Anna Hetzer verfasste Brief an Horst Seehofer lautet folgendermaßen:

für horst s.

horsti, horsti, horst, horst, horst
ob deine mutter, deine mutter dich so rief, riefe, brief, brief
horsti, komm, die leute wartn, dass du
ein, zwei, herrgottsapperlot
dein c ins lot, dein c, dein c von csu
wo ists, wo ists, mist, dass die mutti dich
noch nicht verdroschen hat, das liegt
am menschenrecht, das jede*r hat, auch du
und knut und uschi und mahmut und samy
özgül und badu
gehören ins haus, haus, wenn nicht
vom nikolaus, laus, so doch in die hood
schöner die nachbarn zum tee einladen
als die hecken zwischen allen
so hoch wachsen zu lassen wie den meeresspiegel
am besten beides gar nich, nicht
je weniger heimatblabla, desto schöner das schla
lalaraffenland in einer weltweiten schlalalaraffenwelt
unser rat mit utopiewunsch und knix, nix is fix
so wie dus fixn willst, herr horst s.hofer
 
Di, 12/01/2020 - 18:41
Kurzbeiträge

Einwürfe

50% Urban Anna-Lena Wenzel berichtet von einer einwöchigen Sommerschule zum Thema Transformation in Motion.
Zwischen Laternen und Flaggen Ein Essayfragment von Marco Oliveri über das fragile Konstrukt Nachbarschaft
Tischlein Deck Dich Das Buch flavours & friends von TDD enthält Rezepte, ist die Dokumentation einer sozialen Raumpraxis und hält die Veränderungen Berlins fest.

Fundsachen

Gefährten* Eine Serie von Stoffbeuteln, hergestellt aus Stoffen aus der VEB Schirmfabrik Karl-Marx-Stadt, fotografiert von Lysann Nemeth.
Malheur Couleur Die Farbe Weiß weckt zuallererst Assozia
Sechser Inflationär verbreitet: gepinselte Sechsen auf temporärem Stadtmobiliar. 

Straßenszenen

Berliner Trümmerberge Eine Recherche zu den Berliner Trümmerbergen von Karoline Böttcher mit einem Text von Luise Meier. 
Kabinett Gallery Die Kabinett Gallery nutzt ausgediente Kaugummiautomaten als Ausstellungsflächen im öffentlichen Raum
Zu Gast im 24. Stock Algisa Peschel, Stadtplanerin und eine der Erstbewohnerinnen des DDR-Wohnkomplexes in der Berliner Leipziger Straße lädt zu sich nach Hause ein.

So klingt

die Platte Zwei Songtexte von WK13 und Joe Rilla bringen die Ost-Plattenbauten zum Klingen
der Görlitzer Park K.I.Z. rappt über den Görlitzer Park.
Pedestrian Masala Field-Recordings von Andi Otto aus Bangalore, Südindien.

So lebt

Sorge „Sorge“: meine Platte, meine Heimat,
(e) es sich in der Schule der Arbeit Ute Richter deckt mit ihrer künstlerischen Forschung ein vergesenes Kapitel der emanzipatorischen Erwachsenenbildung in Leipzig auf.
man nicht mehr im Prenzlauer Berg Das war einmal: der Prenzlauer Berg im Jahr 1991, erinnert von Jo Preußler