Editorial

Editorial

Anna-Lena Wenzel
Erst bleiben alle zu Hause, dann gehen alle spazieren oder hängen in den Parks rum. Öffentliche Orte wie das Tempelhofer Feld werden zu Aktivitätshotspots, an denen geskatet, gesungen, geboxt, gepicknickt wird. Die Institutionen stehen leer, während die Leute Musik von ihren Balkonen spielen und der Platz vor der Volksbühne zum Kampfplatz ideologischer Debatten wird. Kunst (und ihre Vermittlung) wandern auf die Straße, erweitern dadurch ihren Radius und Sprache und müssen sich zugleich gegen den Stadtraum behaupten.

Der öffentliche Raum wird zu einem Sehnsuchtsort und einem Ort der latenten Bedrohung durch die Aerosole. Gleichzeitig wird er zu einem Ort der Überwachung (ich habe noch nie so viele Polizeiautos durch die Straßen und Parks patrouillieren sehen, wie im ersten Lockdown).

Vor allem für diejenigen, die keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und kein Auto haben, verkleinert sich der Bewegungsradius auf die unmittelbare Umgebung. Man konzentriert sich auf den eigenen Kiez – was zu ungeahnten neuen Perspektiven ebenso führen kann wie zu Langeweile und Lagerkoller.

Das Bild des öffentlichen Raumes verändert sich: neben verlorenen Masken bevölkern leere Flaschen die Gehwege und Grünflächen, weil die Menschen nun draußen anstoßen. Was auch zunimmt: Zelte, in denen diejenigen schlafen, die nicht in die Unterkünfte können.

Es entstehen zudem eigenartige neue Architekturen und Zeichen: durchsichtige, selbstgebastelte Schutzvorrichtungen in den Spätis, Supermärkten und Bussen, auf die Böden gezeichnete Abstandsmarkierungen und mit Pfeilen markierte Gehrichtungen, abgesperrte Sitzmöbel.  

Die Pandemie hat gezeigt, was für eine wichtige Funktion der öffentliche Raum als Bewegungs-, Begegnungs- und Freiraum hat, wenn Sportanlagen, Kulturinstitutionen und Freizeiteinrichtungen etc. geschlossen sind. Zugleich wurde klar: es ist ein umkämpfter Raum und ein Raum der Disziplinierung.

In diesem Schwerpunkt lenken die Beiträge den Blick (zurück) auf die vielen kleinen wie großen Ausnahmesituationen und Veränderungen des Lebens, die die Corona Pandemie mit sich gebracht hat und die längst zum Alltag geworden sind.
Kurzbeiträge

Einwürfe

Nolli lesen Kathrin Wildner und Dagmar Pelger sprechen darüber, wie man Karten liest
Die Mission. Kunst gegen Kälte 1997–2022 Anna Ulmer guckt im Gespräch mit Rudolf Goerke zurück auf die Obdachloseninitiave "Die Mission" in Hamburg
Spaces of Solidarity Der Kiosk of Solidarity macht Station in einer Ausstellung im Deutschen Architektur Zentrum

Fundsachen

OZ in Erinnerung Für „OZ: in memoriam“ hat sich Mary Limo
The Black Triangle 360 schwarze Dreiecke in Wien dokumentiert von Peter Schreiner

Straßenszenen

Zu Gast im 24. Stock Zu Gast bei Algisa Peschel, Stadtplanerin und eine der Erstbewohnerinnen des DDR-Wohnkomplexes in der Berliner Leipziger Straße
10 Tage Jerevan Notizen ihres 10-tägigen Aufenthalts von Anna-Lena Wenzel
Glitches GLITCHES ist die Bezeichnung für eine Re

So klingt

So lebt

man an der spanischen Touristikküste Architektur- und Reiseeindrücke von 2023/24 von Benjamin Renter, der an der spanischen Mittelmeerküste den Einfall der Investitionsarchitektur festgehalten hat.
es sich 20 Tage im Grenzturm Im Herbst 2019 hatten Kirstin Burckhardt
man im Olympiapark 1953 begonnen Timofej Wassiljewitsch Pro