Aus der Zeit gefallene Orte III: Westberlin
Aus der Zeit gefallene Orte III: Westberlin
Die Filmemacherin und Künstlerin Ulrike Ottinger drehte 1981 den Film Freak Orlando an Originalschauplätzen in Westberlin. Die Orte, die sie in ihren Filmen – und Recherchefotos – festhält, zeigen die geteilte Stadt auch auf der Westseite als einen „Lost Place“. Westberlin war während der Teilung zwar von Subventionen verwöhnt, aber dennoch eine abgeschottete Stadt mit innerstädtischem Leerstand und Brachflächen. Zu dieser Zeit waren die verlassenen Industrieareale noch keine Start Up-Klitschen und auch keine Graffiti-Abenteuerspielplätze für gelangweilte Mittekids, sondern Rückzugsorte für Punks und Künstler*innen.
Die Orte sind so wenig repräsentativ wie die Darsteller*innen in Ottingers Filmen. Sie fallen aus der Gesellschaft, weil sie Freaks sind oder sich wie in Bildnis einer Trinkerin abseitig verhalten. Dennoch sind sie in ihrer Schroffheit auf eine ganz eigene Art schön. Ihre Besonderheit: Sie ändern –wie die Darsteller*innen im Film – beständig ihr Gesicht, sind in einem Moment abweisend, um in nächsten zu lebendigen Bühnen zu werden.
In einem Interview sagte Ulrike Ottinger einmal über ihre Arbeit: „Ich glaube, es ist die Fähigkeit, die Dinge, die man sieht und erfährt, künstlerisch so zu verdichten, dass das Wesentliche sichtbar wird. Oder im spielerischen Umgang mit Realität die Elemente zu neuen Welten zusammenzusetzen, so dass ein schärferer Blick erst möglich wird.“[1]
Nach dem Schauen des Filmes hat mich genau diese Verdichtetheit so gebannt, dass mir die darin gezeigten Stadtlandschaften nicht mehr aus dem Kopf gingen.
[1] Gerald Matt im Gespräch mit Ulrike Ottinger, in: Bildarchive, hrsg.v. Ursula Blickle Stiftung, Kunsthalle Wien, Gerald Matt, Witte de With, Catherine David, Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2005.
Credits: Dokumentarfotografien, Berlin, 1979/80 © Ulrike Ottinger. Wir danken Ulrike Ottinger für das zur Verfügung stellen ihrer Recherchefotos.